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  • Klimakrise im US-Wahlkampf

Totgeschwiegen und doch präsent

Die Klimakatastrophe sucht die USA mitten im Präsidentschaftswahlkampf heim

  • Julian Alexander Hitschler
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Hurrikan Milton führte zu extremen Windgeschwindigkeiten und Niederschlägen und richtete große Zerstörungen an.
Der Hurrikan Milton führte zu extremen Windgeschwindigkeiten und Niederschlägen und richtete große Zerstörungen an.

Die Hurrikan-Saison hat an der US-Ostküste in den vergangenen Wochen heftige Verwüstungen hinterlassen: Nach dem Tropensturm Helene Ende September, der vor allem im Bundesstaat North Carolina zu schweren Überschwemmungen führte und rund 230 Todesopfer forderte, wurde Florida in den vergangenen Tagen von Hurrikan Milton heimgesucht, dem bis dato mindestens 17 Menschen zum Opfer fielen. Auch Milton führte zu extremen Windgeschwindigkeiten und Niederschlägen, Millionen von Menschen sind ohne Strom, an den Tankstellen wird das Benzin knapp.

Rettungskräfte und Infrastruktur haben kaum eine Chance, einer solchen Belastung gerecht zu werden, der Wiederaufbau wird sich noch lange hinziehen. Und längerfristig stehen viele Menschen in den betroffenen Gebieten vor dem Problem, dass Gebäudeversicherungen zunehmend unerschwinglich werden.

Die heftigen Tropenstürme richteten ein Maß von Zerstörung an, das selbst Hurrikan-erprobte Regionen wie Florida nicht gewohnt sind. Die Klimakrise macht sich also auch in den USA bemerkbar und dies mitten Wahlkampf zur Präsidentschaftswahl.

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Durch die höheren Temperaturen und damit mehr Feuchtigkeit und Energie in der Atmosphäre nimmt die Intensität und Gefährlichkeit von Tropenstürmen zu. Die Wissenschaft bestätigt, dass dies auch auf Stürme wie Helene zutrifft. »Wir haben festgestellt, dass im Wesentlichen alle Aspekte dieses Ereignisses in unterschiedlichem Maße durch den Klimawandel verstärkt wurden«, so Ben Clarke, ein Forscher für Extremwetter am Imperial College in London gegenüber dem Radiosender NPR. »Wir werden mehr davon sehen, wenn sich die Welt weiter erwärmt.«

Weder Trump noch seine Gegenkandidatin bringen die jüngsten Wetterkatastrophen deutlich mit dem Klimawandel in Verbindung.

Doch während die Wissenschaft immer eindringlicher vor den Folgen der Erderhitzung warnt, thematisieren die Kandidierenden das Thema Klimawandel kaum. Stattdessen wird auch eine Naturkatastrophe wie Helene im üblichen Modus der US-Politik verarbeitet: mit Kulturkampfrhetorik, Lügen und Misstrauen. Ex-Präsident Trump behauptete im Nachgang von Helene, die Bundesbehörden würden republikanischen Geschädigten bewusst nicht helfen – Belege hierfür gibt es keine. Außerdem sei der Katastrophenschutz schlecht ausgestattet, weil zu viel Geld für illegale Einwanderer ausgegeben würde.

Bei einem Besuch im Katastrophengebiet verurteilte die Demokratin Kamala Harris die Äußerungen des Ex-Präsidenten scharf: »Es gibt eine Menge Fehlinformationen und Desinformationen, die vom ehemaligen Präsidenten verbreitet werden, insbesondere über den Umgang mit den Überlebenden von Helene«, so Harris vor der Presse. »Das ist außerordentlich unverantwortlich.«

Harris gibt sich in dieser Frage zwar staatstragender, doch über die Ursachen der Katastrophe spricht auch sie kaum. Weder Trump noch seine Gegenkandidatin bringen die jüngsten Wetterkatastrophen deutlich mit dem Klimawandel in Verbindung. Im Fall von Trump ist dies kaum überraschend: Die Klimakrise stellt für den Republikaner kein ernstzunehmendes Problem dar; für Versuche, sie in den Griff zu bekommen, hat er nur Spott übrig.

Harris’ Schweigen in dieser Frage lässt sich auf ihre Gesamtstrategie im Wahlkampf zurückführen. Sie scheint der Ansicht zu sein, dass sie sich um die Stimmen von linken und progressiven Wählern nicht mehr gesondert bemühen muss. Diejenigen von ihnen, die den Demokraten so kritisch entgegenstehen, dass sie zum jetzigen Zeitpunkt nicht beabsichtigen, Harris zu wählen, sind für sie auch nicht mehr erreichbar, so das Kalkül. Alle anderen werden angesichts einer möglichen Wiederwahl von Donald Trump schon ihren Weg an die Urne finden.

Harris setzt stattdessen auf Wechselwähler und Republikaner, die von Trumps Rüpelhaftigkeit und autoritärem Gebaren hinreichend abgeschreckt sind, dass sie ihn nicht wählen wollen. Um sie zu erreichen, vermeidet sie alles, was sie irgendwie als »links« oder »radikal« erscheinen lassen könnte. Hierzu gehört, alle progressiven Kernthemen weitestgehend zu umschiffen – dazu gehört auch der Klimawandel. Denn obwohl weiter ein hoher Prozentsatz von US-Amerikanern angibt, sich über die Destabilisierung des Klimas Sorgen zu machen, stellt das Thema nur für eine kleine Wählergruppe die vordringlichste Priorität dar – zumindest bis dato.

Statt über die signifikanten Erfolge der Biden-Regierung in der Klimapolitik – sei es beim Ausbau der erneuerbaren Energien, sei es bei grünen Jobs in neuen Industriezweigen – spricht Harris stattdessen lieber darüber, dass sie die Erdgasförderung per Fracking unbedingt fortführen will, auch weil dies im wahlstrategisch wichtigen Staat Pennsylvania ein bedeutender Industriezweig ist. Auch sonst betont Harris ihre Wirtschaftsnähe und umwirbt vor allem Großspender an der Wall Street offensiv. Ein überparteilicher Rat, in dem auch Republikaner sitzen, soll ihr zu ihrer Politik »Feedback« geben. Entschlossenheit in der Klimapolitik sieht anders aus.

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