Netanjahus Werk und Putins Beitrag

Was die Präsidentschaftskandidaten Kamala Harris und Donald Trump außenpolitisch bisher zu erkennen geben

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 5 Min.
Trumps Lieblingsslogan macht der Nato ebenso Angst wie Migranten.
Trumps Lieblingsslogan macht der Nato ebenso Angst wie Migranten.

Aktuell ist der Ausgang der US-Wahl nicht das Einzige, was unklar ist. Auch manche inhaltliche Position beider Kandidaten, Vizepräsidentin Kamala Harris (Demokraten) und Ex-Präsident Donald Trump (Republikaner), ist so kurz vorm Wahltag unscharf. Klar ist immerhin: Beide haben sich im Wahlkampf mitunter zur Mitte bewegt – Harris unter Aufgabe manch linker Position, etwa im Bereich Umwelt, Trump durch Aufgabe einiger offen reaktionärer Forderungen, etwa bezüglich Abtreibung.

So sehr US-Präsidentschaftswahlen letztlich innen- und wirtschaftspolitisch entschieden werden – die Außenpolitik, die der künftige Präsident der Weltmacht verfolgt, wird von Bedeutung sein. Doch welche Positionen vertreten beide Kandidaten? Ein Blick auf fünf Themen zeigt vereinfacht dieses Bild: Harris ist pro-Israel, pro-Ukraine, anti-China, pro-Nato und pro-Zuwanderungsreduzierung eingestellt. Trump wiederum ist pro-Israel, anti-Ukraine, anti-China, anti-Nato und pro-Grenzmauer eingestellt.

Nahost: So wie Noch-Präsident Joe Biden betont Harris im jetzigen Krieg ihre Verbundenheit mit Israel. Das Land habe jegliches Recht auf Selbstverteidigung, doch »es kommt auf das Wie an«. Für Harris ist die diplomatische Arbeit der US-Regierung mit Israels Führung »ein ständiges Bemühen um die Verdeutlichung unserer Grundsätze«. Aber auch diese Grundsätze änderten bisher nichts daran, dass Israels Premierminister Benjamin Netanjahu mehrfach »rote Linien« verletzte und dennoch mit immer neuen US-Waffen belohnt wurde.

Trump präsentierte als Präsident einen Plan zur Zweistaatenlösung, der aber für die Palästinenser unakzeptierbare Maßnahmen wie die Anerkennung der jüdischen Siedlungen im besetzten Westjordanland und Jerusalem als ungeteilte Hauptstadt Israels enthielt. Am Jahrestag des Hamas-Massakers vom 7. Oktober sagte er, dieses markiere »einen der dunkelsten Tage in der ganzen Menschheitsgeschichte«. Harris und Biden warf er »Schwäche« vor, die die Hamas zum Terror eingeladen habe. Bei einem Wahlsieg werde er »nicht länger dulden, dass der jüdische Staat mit Zerstörung bedroht wird, (...) und ich werde Israels Recht unterstützen, seinen Krieg zu gewinnen«.

USA-Wahl

Die Wahlen am 5. November 2024 sind für die US-Bürger wie auch den Rest der Welt eine der wichtigsten Richtungsentscheidungen dieser Zeit. »nd« berichtet über die Stimmung und Probleme im Land, über Kandidaten und ihre Visionen. Alle Texte zur US-Wahl finden Sie hier.

Ukraine-Krieg: Unabhängig von der Position beider Kandidaten zu diesem Krieg sehen sich die USA bei ihrer Hilfe für das Angriffsopfer Ukraine einem faktischen Bündnis von Russland und China gegenüber – diplomatisch wie militärisch eine neue Herausforderung. Harris unterstützt diesbezüglich die Ukraine, zum Streben ihrer Regierung nach einer Nato-Mitgliedschaft hält sie sich bedeckt. Den russischen Präsidenten Wladimir Putin will sie bei ihrem Sieg nicht ohne Vertreter aus Kiew treffen. Sie warnt, Trump wolle die Ukraine zwingen, vor Russland »zu kapitulieren«.

Trump wiederum signalisiert, die Hilfe für Kiew zu kürzen oder einzustellen. Er werde den Krieg »am ersten Tag im Amt« beenden. Eine weitere Note bringt der neue Nato-Generalsekretär Mark Rutte ins Spiel: Er mahnt, »sich nicht länger Sorgen um eine Trump-Präsidentschaft zu machen«. Er kenne Trump gut. Der verstehe, »dass der Kampf um die Ukraine nicht nur sie, sondern auch die Sicherheit und Zukunft der USA betrifft«.

Kaum einer wird demnach den Wahlausgang genauer verfolgen als Präsident Putin. Je nach Resultat dürften sich Veränderungen in Washington wie Moskau entwickeln. Kommt es zu einem Waffenstillstand oder neuen, weitreichenden westlichen Waffen für Kiew, ist nur eine der Fragen. Nicht zuletzt wird Joe Biden danach streben, mit einem Abgangsclou seinen Platz in den Geschichtsbüchern aufzubessern.

Außenpolitisch von Belang bei einem Wahlsieg Trumps bliebe der nie ausgeräumte Verdacht einer geheimen Allianz zwischen Putin und dem Republikaner. Unbelegten Berichten zufolge könnte Moskau kompromittierendes Material über Trump besitzen. Darauf wies während seiner Präsidentschaft bereits der Bericht von Sonderermittler Robert Mueller hin. Und darauf machen aktuell Watergate-Enthüller Bob Woodward und der britische Russlandexperte Christopher Steele in ihren Büchern »War« (Krieg) und »Ungefiltert« aufmerksam.

China: Trump betrachtet die Volksrepublik als strategischen Hauptkonkurrenten der USA. Gegen ihn werde er in einer zweiten Amtszeit sogar »noch härter« vorgehen. Er will sämtliche Importe sogenannter Grundgüter aus China mittelfristig beenden und pauschal Zölle von mindestens 60 Prozent auf alle China-Importe verhängen. Der Erwerb von US-Firmen durch chinesische Investoren soll blockiert werden.

Auch Harris sieht die größte Herausforderung in China. Staatschef Xi Jinping traf Kamala Halisi, wie Chinesen sie nennen, erst einmal, am Rande eines Gipfels der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft. Kommentare zum Verhältnis zu Peking gibt es von ihr so gut wie keine. Zum Konflikt um den Status von Taiwan sagte sie 2022: »Taiwan ist eine lebendige Demokratie, die zum globalen Wohl beiträgt.« Trump rief Taiwan zu höheren Verteidigungsausgaben auf, wolle es nicht riskieren, von Washington fallengelassen zu werden.

Nato: Auf der jüngsten Münchner Sicherheitskonferenz erneuerte Harris ihr »felsenfestes Bekenntnis« zum Pakt, der »zentralen Säule der globalen Sicherheit«. Wie in seiner Amtszeit greift Trump dagegen auch heute Nato-Mitglieder an. Als Präsident werde er sich nicht an die Nato-Klausel der kollektiven Verteidigung gebunden fühlen. Vielmehr werde er Russland ermutigen, mit Bündnismitgliedern, die ihren finanziellen Verpflichtungen nicht nachkämen, zu tun, was es wolle.

Zuwanderung: Rund 2,4 Millionen unerlaubte Grenzübertritte gab es 2023 an der Südgrenze zu Mexiko. Die meisten sogenannten Illegalen kommen aus Mittel- und Südamerika, nicht wenige zudem aus sozialistischen Staaten wie Kuba und Venezuela. Trump fährt in Migrationsfragen einen besonders harten Kurs. Auch Harris vertritt inzwischen rigidere Ansätze, hat jedoch zum Thema generell keine schlüssigen Antworten gefunden. Das dürfte ihr schaden, zumal Trump Migranten rassistisch verunglimpft und Wähler erpresserisch an sich binden will: »Sollte ich nicht siegen, werden Einwanderer in Ihre Küche kommen und Ihnen die Kehle durchschneiden.« Als Wahlsieger stellt er »die größte Abschiebeaktion in der US-Geschichte« in Aussicht. Für die Migrations- und Abschiebepolitik soll ein großer Teil der Polizei- und Strafverfolgungsbehörden eingesetzt werden.

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