Mit harten Bandagen gegen Autonomiebestrebungen in Belutschistan

Die pakistanische Zentralregierung plant eine Militäroffensive gegen die belutschische Unabhängigkeitsbewegung

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 4 Min.
Ermittler sammeln Beweise am Ort einer Explosion im Bahnhof von Quetta im Südwesten Pakistans.
Ermittler sammeln Beweise am Ort einer Explosion im Bahnhof von Quetta im Südwesten Pakistans.

Pakistan wird derzeit von schweren Auseinandersetzungen erschüttert. Dabei stehen sich zum einen verfeindete Gruppen gegenüber, zum anderen die belutschische Unabhängigkeitsbewegung im Südwesten des Landes und die pakistanische Zentralregierung. Um erstere zu bekämpfen, will die Regierung in Islamabad eine Militäroffensive starten, wie vergangene Woche bekannt wurde.

In den vergangenen Tagen haben sich insbesondere die Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten im Nordwesten des Landes zugespitzt. Bei einer Gewalteskalation kamen zuletzt mindestens 35 Menschen ums Leben. Weitere zehn wurden verletzt, teilte die Polizei mit. Es handelt sich demnach um einen der tödlichsten Zusammenstöße der vergangenen Jahre zwischen den muslimischen Glaubensgruppen.

Anschlag auf Schiiten

In der Nacht zum Samstag war es im Distrikt Kurram in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa zu heftigen Feuergefechten gekommen. Diese seien noch nicht vorbei, erklärte die Polizei der Deutschen Presse-Agentur. Die Situation sei weiter sehr angespannt. Hunderte Geschäfte, Häuser und Grundstücke in mindestens fünf Dörfern seien von rivalisierenden Gruppen in Brand gesteckt worden.

Die Polizei deutet die Kämpfe als Reaktion auf den Anschlag auf einen Konvoi am Donnerstag, bei dem mindestens 42 Menschen gestorben waren. Bei dem Angriff hatten Unbekannte das Feuer auf die Fahrzeuge eröffnet, in denen zum Großteil Schiiten saßen, wie die Polizeisprecher mitteilten. In der Provinz Khyber Pakhtunkhwa kommt es immer wieder zu Übergriffen auf dort lebende Schiiten durch sunnitische Gruppierungen.

Siebentägige Waffenruhe

Nach Angaben der pakistanischen Regierung vom Sonntag haben sich die einander bekriegenden religiösen Gruppen auf eine siebentägige Waffenruhe geeinigt, um die Zusammenstöße vorerst zu beenden. Mohammad Ali Saif, der Informationsminister und Regierungssprecher von Khyber Pakhtunkhwa, sagte gegenüber Nachrichtenagenturen, dass schiitische und sunnitische Führer eine längerfristige Lösung anstreben würden.

Ein permanenter Krisenherd Pakistans ist jedoch auch die südwestliche Provinz Belutschistan. In den vergangenen Monaten hat die Gewalt zwischen der pakistanischen Armee und militanten Separatistengruppen hier ebenfalls zugenommen. Der Konflikt zwischen der Zentralregierung in Islamabad und den Gruppen, die für die Unabhängigkeit der Region oder zumindest weitgehende Autonomie eintreten, schwelt bereits seit der Unabhängigkeit Pakistans im Jahr 1947.

Pakistans Zentralregierung geht bei der Bekämpfung der Unabhängigkeitsbewegung nicht zimperlich vor.

Dabei spielt auch die Ausbeutung der in der Region entdeckten Rohstoffe (Mineralien, Erdgas) eine gewichtige Rolle. Während der pakistanische Zentralstaat die mit rund 15 Millionen Einwohnern dünn besiedelte Provinz Belutschistan in einem Zustand chronischer Unterentwicklung belassen hat, will es gleichzeitig die natürlichen Reichtümer ausbeuten. Und die Belutschen fürchten, dass sie nichts davon zu sehen bekommen.

Kürzlich sind bei einer Explosion im Bahnhof der belutschischen Hauptstadt Quetta nach offiziellen Angaben mindestens 26 Menschen getötet worden. Mehr als 60 weitere seien verletzt worden, viele schwer, teilten Behördenvertreter mit. Für die Explosion in dem belebten Bahnhof sei ein Selbstmordattentäter verantwortlich, sagte ein hoher Regierungsbeamter.

Mehr Autonomie gefordert

Die Balochistan Liberation Army (BLA) reklamierte die Tat für sich. Sie fordert mehr Autonomie für die rohstoffreiche Provinz und verübt immer wieder Anschläge. Ihr Vorgehen richtet sich inzwischen aber auch gegen Großprojekte Chinas in der Region. Extremisten in der südwestlichen Provinz werfen der Regierung in Peking Land- und Ressourcenraub vor. Der chinesische Staat entwickelt den Hafen Gwadar nahe der Grenze zu Iran als Exportknotenpunkt für den geplanten Handelskorridor China-Pakistan.

Pakistan hat nun eine »umfassende Militäroperation« gegen die Separatistengruppen in der Provinz angekündigt. Premierminister Schehbaz Scharif leitete vergangene Woche ein Treffen der politischen und militärischen Führung und gab grünes Licht für die Operation, wie sein Büro in einer Erklärung mitteilte. Weder das Büro von Scharif noch das Militär wollten Einzelheiten über die Operation bekannt geben.

Bis zu 20 000 Belutschen verschwunden

Nach Angaben von Scharifs Büro wird sich die Operation gegen die Belutschische Befreiungsarmee (BLA) und andere verbotene Gruppen richten, aber es ist unklar, wann sie beginnen wird. Die Regierung beschuldigte die Gruppen, »unschuldige Zivilisten und ausländische Staatsangehörige ins Visier zu nehmen, um den wirtschaftlichen Fortschritt Pakistans zu behindern, indem sie auf Geheiß feindlicher externer Mächte für Unsicherheit sorgen«.

Pakistans Zentralregierung geht bei der Bekämpfung der Unabhängigkeitsbewegung nicht zimperlich vor. Nach Angaben von Amnesty International sind allein auf pakistanischer Seite in den vergangenen Jahrzehnten bis zu 20 000 Belutschen verschwunden – vermutlich verschleppt, gefoltert oder gar ermordet von pakistanischen Sicherheitskräften, die in der Region sukzessive verstärkt worden sind. Mit Agenturen

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