Bevölkerungsrückgang: Neue Welle im Osten

Laut einer Studie sorgt die demografische Entwicklung dafür, dass trotz Abbaus von Arbeitsplätzen die Erwerbslosigkeit kaum steigen wird

  • Rafael Schumacher
  • Lesedauer: 3 Min.
Während es künftig in vielen Branchen weniger Jobs gibt, werden in der Altenpflege und im Sozialbereich bundesweit bis 2040 rund 600 000 zusätzliche Arbeitskräfte gebraucht.
Während es künftig in vielen Branchen weniger Jobs gibt, werden in der Altenpflege und im Sozialbereich bundesweit bis 2040 rund 600 000 zusätzliche Arbeitskräfte gebraucht.

Bis zum Jahr 2040 wird die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter weiter stark schrumpfen. Das ist einem diese Woche veröffentlichten Forschungsbericht des Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zu entnehmen. Darin wird auch der zu erwartende Strukturwandel auf dem Arbeitsmarkt in den kommenden 15 Jahren beleuchtet.

Laut der vom IAB zusammen mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung und der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung erarbeiteten Prognose wird die Zahl der Erwerbspersonen im genannten Zeitraum um mehr als eine Million auf 46 Millionen zurückgehen. Im selben Zeitraum wird es demnach unter dem Strich 910 000 Arbeitsplätze weniger geben, obwohl nicht nur wie zum Beispiel in der Automobilindustrie Jobs abgebaut werden, sondern in einigen Branchen auch viele neu entstehen werden.

Diese Entwicklung sei jedoch regional unterschiedlich, erläuterte IAB-Experte Enzo Weber. Die meisten neuen Arbeitsplätze entstehen demnach in Berlin, Hamburg und Hessen. In den ostdeutschen Flächenstaaten wird es dagegen keinen Aufwuchs bei den angebotenen Jobs geben. Dort werden prozentual auch die meisten Arbeitsplätze in Folge von Strukturwandel und sinkender Arbeitskräftezahl abgebaut. 

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Die Zahl der Einwohner sinkt laut Studie nur in Berlin und Hamburg nicht. Dort wächst sie voraussichtlich sogar. Dagegen wird Ostdeutschland erneut einen starken Verlust an Personen im erwerbsfähigen Alter verzeichnen. Am schwersten wird es wohl Thüringen mit einem Rückgang der Erwerbsbevölkerung um fast 16 Prozent treffen. Auch in Sachsen wird die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter nach mehreren Abwanderungwellen seit 1990 nochmals um 9,4 Prozent zurückgehen.

Der größte Zuwachs an Stellen wird im Gesundheits- und Sozialwesen erwartet, vor allem aufgrund der zunehmenden Alterung der Bevölkerung. Dort werden laut der Schätzung bundesweit 600 000 neue Stellen entstehen. Auch bei IT- und Informationsdienstleistungen wird es mehr Bedarf an Arbeitskräften geben. In der Industrie, im öffentlichen Dienst, im Groß- und Einzelhandel und in der Bauwirtschaft werden hingegen künftig weniger Arbeitskräfte benötigt.

Die Erwerbslosenquote wird der Untersuchung zufolge in fast allen Bundesländern sinken oder zumindest gleich bleiben. Infolgedessen werde es für Unternehmen noch schwieriger, Fachpersonal zu finden. Besonders problematisch werde dies zum Beispiel in den nichtmedizinischen Gesundheitsberufen, insbesondere in der Altenpflege. Zugleich lasse sich nicht prognostizieren, ob sich die wirtschaftliche Lage wie in der Vergangenheit durch äußere Einflüsse erholen wird, da das zukünftige Handeln der USA, Chinas und Russlands schwer abzuschätzen sei.

Weber mahnte zu frühzeitigem Eingreifen, um gezielt in schrumpfenden Regionen »die Wirtschaftskraft« zu erhalten und so eine Abwärtsspirale zu vermeiden. Sonst werde die öffentliche Infrastruktur zurückgefahren, wenn weniger Menschen in einer Region lebten, was wiederum zu weiterer Abwanderung führen könne. Technologische Lösungen wie virtuelles Arbeiten könnten helfen, denn dadurch könnten Menschen in Regionen mit wenig Jobmöglichkeiten dort arbeiten, wo Arbeitskräfte gesucht werden, ohne umziehen zu müssen.

Zugleich ist Weber überzeugt, dass es ohne die Zuwanderung ausländischer Arbeitskräfte nicht geht. Diejenigen, die schon in Deutschland leben, arbeiteten derweil häufig »unter ihren Möglichkeiten«, so der Arbeitsmarktforscher. Deshalb müsse die Anerkennung von Abschlüssen beschleunigt, sprachliche Förderung und berufliche Weiterbildung müssten verbessert werden. mit dpa

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