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Zeitenwende in der Immobilienwirtschaft
Die Bundeswehr heizt die Nachfrage nach Logistik- und Industrieflächen an
Das Sondervermögen Bundeswehr, eine zusätzliche Kreditermächtigung von 100 Milliarden Euro, ist ein Finanzierungsinstrument, das ausschließlich der Bundeswehr dienen soll. Darüber hinaus hat die schwarz-rote Bundesregierung angekündigt, die Militärausgaben bis 2029 auf bis zu 3,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) zu steigern. Aber das Geld wird nicht allein in Kampfjets und Artilleriemunition investiert, sondern auch in Personal und Liegenschaften. So will Verteidigungsminister Boris Pistorius gewaltige Summen allein für Immobilien in Schleswig-Holstein bereitstellen. Ein vor zehn Jahren stillgelegter Standort bei Neumünster soll laut »Dithmarscher Landeszeitung«, die sich dabei auf das Ministerium in Berlin beruft, mittels einer runden Milliarde Euro reaktiviert werden. Ein Projekt der Marine in Laboe bei Kiel soll 674 Millionen kosten, und in Nordfriesland wird unter anderem für ein Materiallager 813 Millionen Euro verplant. Es sei absehbar, dass »zusätzlicher Infrastrukturbedarf entsteht«, zitiert die Zeitung eine Ministeriumssprecherin. Dabei prüfe man auch Liegenschaften, die man schon abgegeben habe. So will die Bundeswehr offenbar in der Landeshauptstadt Kiel das frühere Gelände der Marineflieger zurückkaufen.
Die Truppe verfügt über tausende Liegenschaften in ganz Deutschland. Nach der Wiedervereinigung betrug die Truppenstärke 1990 rund 476 000, derzeit sind nur noch 182 357 Soldatinnen und Soldaten in Uniform aktiv. Hinzu kommen Zivilbeschäftigte. Parallel zum Truppenabbau wurden Kasernen und Übungsgelände stillgelegt, teilweise verkauft oder den Kommunen zur zivilen Nutzung angeboten. Nun soll die Bundeswehr nachhaltig wachsen, und es entsteht ein »riesiger Platzbedarf«, wie es kürzlich der zuständige Staatssekretär Nils Hilmer ausdrückte. Das Verteidigungsministerium plane ab 2031 mit 40 000 zusätzlich Wehrdienstleistenden pro Jahr. Daher wurde kürzlich bundesweit für mehr als 180 große, brachliegende Bundeswehrliegenschaften ein Konversionsverbot erlassen, also ein Umwandlungsstopp.
Der militärische Aufwuchs erzeugt Kollateralschäden in der ohnehin angespannten privaten Immobilienwirtschaft. »Weil künftig dramatisch in die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands investiert wird, steigt die Nachfrage nach militärisch nutzbaren Immobilien«, stellt das »Handelsblatt« fest. Und das treibt die Preise in die Höhe. »Wir beobachten bereits deutliche Preisaufschläge von 15 bis 30 Prozent bei Flächen, die die entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen erfüllen«, sagte dem Blatt ein Immobilienberater von JLL Work Dynamics in Frankfurt am Main. Als geeignet gelten Objekte nur dann, wenn sie abseits von Ballungsgebieten liegen, aber dennoch gut an die Verkehrsinfrastruktur angebunden sind. Neben diesen staatlichen Vorhaben treibt auch die rasant expandierende Rüstungsindustrie eigene Projekte voran, die große Flächen benötigen.
Unter dem Druck der US-Regierung von Donald Trump hatten alle Nato-Staaten im Juni beschlossen, künftig 3,5 Prozent ihres BIP für militärische Zwecke bereitzustellen. Ein Großteil des frischen Geldes wird in die Immobilienwirtschaft fließen. Laut einem kürzlich erschienenen Bericht des Beratungsunternehmens Savills werden die steigenden Ausgaben »zu einem erheblichen Anstieg« der Nachfrage nach Industrie- und Logistikimmobilien auch in der EU und im Vereinigten Königreich führen. Bei den europäischen Nato-Partnern sollen 37 Millionen Quadratmeter an Flächen allein für Logistik hinzukommen, berechneten die Experten des Frankfurter Immobilienberaters. Davon würden sechs Millionen Quadratmeter in Deutschland benötigt. Europaweit wäre dies ein jährliches Plus von 17 Prozent gegenüber 2024.
In Deutschland sind rund 8000 Bauvorhaben in Arbeit, heißt es im Infrastrukturbericht der Bundeswehr. Diese müssten in einem gemeinsamen Kraftakt von Bund und Ländern beschleunigt umgesetzt werden. Die aktuellen Planungen sehen eine jährliche Steigerung des Projekt- und Bauvolumens von 10 bis 20 Prozent vor. Für Andrew Blennerhassett, Direktor des Logistikresearch bei Savills, stellt dies wegen besonderer Sicherheitsanforderungen »eine komplexe Herausforderung für den Immobilienmarkt« dar. Während gleichzeitig mit dem boomenden E-Commerce- und Fertigungssektor um begrenzte geeignete Flächen konkurriert werde. Die »politischen Entscheidungsträger« müssten dies erkennen und »proaktiv« dafür sorgen, dass die Verfügbarkeit von Flächen mit der Expansion von Bundeswehr und Rüstungsindustrie Schritt hält.
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