- Politik
- Gaza-Krieg
Israel dreht Strom für Gaza ab
Neue Gespräche in Katar über Fortsetzung des Waffenruhe-Abkommens
Gaza. Nach dem Stopp humanitärer Hilfslieferungen in den Gazastreifen kappt Israel nun auch die letzte Stromleitung in das abgeriegelte Küstengebiet. Mit den Maßnahmen, die vor allem die ohnehin schon notleidende palästinensische Zivilbevölkerung treffen, will Israel den Druck auf die islamistische Hamas erhöhen, die letzten 24 Geiseln und 35 Leichen von Verschleppten freizulassen. Eine israelische Delegation sollte am Montag nach Katar reisen, um die Gespräche über eine Fortsetzung der Waffenruhe und die Freilassung der Geiseln voranzubringen.
»Wir werden alle Mittel einsetzen, die uns zur Verfügung stehen, damit alle Geiseln zurückkehren, und wir werden gewährleisten, dass die Hamas am Tag danach nicht mehr in Gaza ist«, sagte der israelische Energieminister Eli Cohen in einer Videobotschaft. Er habe daher angeordnet, Gaza sofort den Strom abzustellen. »Schluss mit dem Gerede, es ist Zeit zu handeln!«, schrieb er auf X.
Strom für Wasseraufbereitung unterbrochen
Laut dem israelischen Nachrichtenportal »ynet« lieferte Israel seit Kriegsbeginn nur noch über eine Leitung Strom in den verwüsteten Gazastreifen. Diese sei direkt mit einer Wasseraufbereitungsanlage in Deir Al-Balah verbunden. Vor dem Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023 seien es noch zehn Leitungen gewesen. Die Kappung der letzten Stromtrasse könnte die Wasserknappheit zusätzlich verschärfen.
Tatsächlich teilte die Stadtverwaltung von Deir Al-Balah mit, dass eine Wasseraufbereitungsanlage nicht länger in Betrieb sei. Ein israelisches Unternehmen weigere sich außerdem seit zwei Monaten, eine aus Israel kommende Wasserleitung zu reparieren, hieß es weiter. Die Wasserversorgung für Deir Al-Balah sei deshalb um 70 Prozent gesunken. Die Verwaltung warnte vor einer humanitären Katastrophe.
Stopp aller Hilfslieferungen in den Gazastreifen
Israel habe die Stromversorgung de facto bereits im Oktober 2023 gestoppt, sagte Hamas-Sprecher Hasem Kassem. Viele Menschen behelfen sich mit Solarstrom und Generatoren. Die Hamas sprach auf Telegram von einem Versuch Israels, »den Druck auf unser palästinensisches Volk und den Widerstand durch seine billige und inakzeptable Erpressungspolitik zu verstärken«. Israel verstoße gegen die Vereinbarungen und missachte internationale Gesetze.
Nach Ablauf der ersten Phase der am 19. Januar in Kraft getretenen Waffenruhe hatte Israel vor einer Woche bereits einen vollständigen Stopp der Hilfslieferungen in den Gazastreifen angeordnet. Hilfsorganisationen warnten vor dramatischen Folgen für die zwei Millionen Einwohner. Das Nachrichtenportal »ynet« berichtete unter Berufung auf einen israelischen Regierungsvertreter, auch ein Stopp der Wasserlieferungen werde erwogen.
Israel könnte Krieg wieder aufnehmen
Sollten diese Schritte keine Wirkung zeigen, könnte Israel zu Luftangriffen und »taktischen« Einsätzen gegen die Hamas übergehen, zitierte das »Wall Street Journal« einen israelischen Sicherheitsanalysten. Als Nächstes könnte demnach eine erneute Umsiedlung der Bewohner aus dem Norden in den Süden Gazas folgen. Als Letztes könnte Israel den Krieg wieder voll aufnehmen und dabei mit weitaus mehr militärischer Wucht vorgehen, hieß es.
Bisher konnten sich Israel und die Hamas nicht auf die Konditionen einer Verlängerung der Waffenruhe einigen. Hamas-Kreise hatten der Deutschen Presse-Agentur bestätigt, dass direkte Gespräche mit der US-Regierung über die amerikanischen Geiseln und eine mögliche Vereinbarung zur Beendigung des Krieges stattfanden. dpa/nd
Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Dank der Unterstützung unserer Community können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen
Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.