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»Black Bag« im Kino: Die Kontrollfreaks

Steven Soderberghs neuer Film »Black Bag« ist eine außergewöhnliche Agentenkomödie

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 4 Min.
»Würdest du auch für mich töten?«, möchte Kathryn (Cate Blanchett) von ihrem Ehemann George (Michael Fassbender) wissen.
»Würdest du auch für mich töten?«, möchte Kathryn (Cate Blanchett) von ihrem Ehemann George (Michael Fassbender) wissen.

Als der britische Geheimagent George Woodhouse (Michael Fassbender) den Auftrag erhält, fünf seiner Kollegen aus dem SIS (Secret Intelligence Service) zu überprüfen, da einer von ihnen offensichtlich Geheimnisverrat begangen hat, scheint das eher Routinearbeit zu sein. Bis er erfährt, dass seine Ehefrau Kathryn St. Jean (Cate Blanchett) eine der Verdächtigen ist.

Steven Soderberghs Film »Black Bag« reiht sich auf den ersten Blick in den derzeit geradezu inflationär um sich greifenden Boom neuer hochkarätig besetzter Agenten-Filme ein, der vor allem auf Streaming-Plattformen eine wichtige Rolle spielt. So etwa mit »Argylle« (2024) auf Apple TV+, »The Gray Man« (2022) und »Heart of Stone« (2023) auf Netflix oder aufwändig produzierten Serien wie »Citadel« und »The Agency« (wo Fassbender ebenfalls die Hauptrolle spielt). Wobei sich Soderberghs 90-minütiger Kinofilm von diesen größtenteils sehr einfach gestrickten Blockbustern deutlich abhebt. Denn der überaus stylische Film ist vor allem ein Beziehungsdrama mit wundervoll satirischen Untertönen und flott geschriebenen knalligen Dialogen. Der mittlerweile 62-jährige Soderbergh zeichnet auch bei diesem Film für Kamera (unter dem Pseudonym Peter Andrews) und Schnitt (als Mary Ann Bernard) verantwortlich.

Im Zentrum dieser Londoner Agentengeschichte steht der überaus korrekte George Woodhouse. Der beginnt seine Recherche mit einem Abendessen zu Hause im schicken Londoner Einfamilienhaus, zu dem er alle verdächtigen Kolleginnen, nämlich zwei weitere Pärchen aus der Agenten-Behörde, einlädt und ihnen ein drogenversetztes Masala-Curry vorsetzt. Das führt zu einer fast surreal anmutenden Situation, in der alle Anwesenden völlig enthemmt plötzlich nur noch die Wahrheit sagen können, was diverse unterdrückte Beziehungskrisen eskalieren lässt. Die für Datenauswertung zuständige Clarissa Dubose (Marisa Abela) spießt schließlich im Beziehungsstreit ihrem Freund Freddie Smalls (Tom Burke) ein Steakmesser in den Handrücken. Und die Psychiaterin Dr. Zoe Vaughan (Naomie Harris) zeigt derweil ihrem von sich selbst überzeugten Geliebten James Stokes (Regé-Jean Page), was für ein Simpel er ist.

Geht es hier wirklich um Staatsgeheimnisse, gestohlene Militär-Software oder um ganz banale Beziehungsprobleme gutbürgerlicher Kontrollfreaks aus der Londoner Upper Class?

»Black Bag« balanciert auf einem faszinierenden Pfad zwischen Komödie, Thriller und absurdem Beziehungsdrama. Die Agentengeschichte scheint mitunter nicht mehr als eine Ingredienz zu sein, um dieses Beziehungsdrama um junge und nicht mehr ganz junge urbane Hipster-Charaktere so richtig eskalieren zu lassen.

Vom Arbeitgeber verordnete Sitzungen mit der Psychiaterin, bei denen sich nichts geschenkt wird und alle Konflikte ausgepackt werden, sind ebenso Teil dieser Geschichte wie bange Minuten im Satelliten-Überwachungsraum, wo George seiner Ehefrau während einer Dienstreise nachspioniert. Geht es hier wirklich um Staatsgeheimnisse, gestohlene Militär-Software oder um ganz banale Beziehungsprobleme gutbürgerlicher Kontrollfreaks aus der Londoner Upper Class?

»Würdest du auch für mich töten?«, fragt Kathryn irgendwann ihren Ehemann George, während sich die beiden im Bett wälzen. Aber George ermittelt schließlich dann doch vor allem gegen seine Frau, da sie am wahrscheinlichsten die abtrünnige Agentin ist. Und sie hat anscheinend nicht weniger als ein System zur Herbeiführung einer Kernschmelze in einem Atomreaktor an russische Gegner des in Moskau regierenden Präsidenten verkauft. Der Name Putin fällt nicht, der Krieg, der damit gestoppt werden solle, wird auch nicht benannt.

»Black Bag« verbleibt in einer unbestimmten, von unserer Realität abgekoppelten Sphäre sich bekriegender Agenten, von denen der widerlichste Arthur Stieglitz (Pierce Brosnan) ist, der den britischen Geheimdienst leitet und fast schon als wandelndes Zitat des überkommenen James-Bond-Universums durch den Film läuft.

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Dabei entwickelt die zu Beginn eher fadenscheinig wirkende Agentenstory gegen Ende immer mehr Substanz. »Black Bag« wird dann doch ein maßgeschneiderter Thriller mit einem mehrfach um die Ecke gedachten und kompliziert verwickelten Geheimdienst-Plot, der aber weitab des gängigen Actionklamauks angesiedelt ist. George Woodhouse und seine Kollegen sind vielmehr Büroangestellte, die durch moderne Räumlichkeiten laufen, an Sitzungen teilnehmen, Datensätze auslesen und ganz selten mal eine Waffe irgendwo versteckt bereitliegen haben, falls es zum Äußersten kommt. Geschossen wird dann eher, indem Kathryn der CIA eine Information zusteckt und die Amerikaner eine Interkontinental-Drohne losschicken, um politische Gegner in die Luft zu sprengen.

Am Ende konspiriert jeder gegen jeden, fast lässt sich die ganze Intrige kaum mehr durchschauen, aber George Woodhouse und seine Ehefrau Kathryn St. Jean bringen Licht ins Dunkel und lösen das Drama am Ende mit einem abendlichen Gesellschaftsspiel im gutbürgerlichen Stadthaus auf. Das ist kein großes anspruchsvolles Kino, hat aber Stil und jede Menge Unterhaltungswert. Nicht mehr und nicht weniger.

»Black Bag«, USA 2025. Regie: Steven Soderbergh, Buch: David Koepp. Mit: Cate Blanchett, Michael Fassbender, Tom Burke, Naomie Harris, Regé-Jean Page, Pierce Brosnan. 93 Min. Kinostart: 15. Mai.

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