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Tauwetter mit China dank irrem Trump-Zollstreit
Jörg Kronauer erkennt eine vorsichtige Annäherung zwischen der EU und China
Zeichnet sich da ein gewisses Tauwetter ab in den Beziehungen zwischen der EU und China, die in den vergangenen Jahren immer nur eines wurden – immer schlechter? Kaum hatte US-Präsident Donald Trump am 2. April seine irre Zollorgie gestartet, da griff EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zum Telefon und rief wen an? Chinas Ministerpräsidenten Li Qiang. Man müsse sich gemeinsam für freien und fairen Handel stark machen, forderte sie – die EU und China gemeinsam, gegen die USA. Einige Tage später ließ EU-Ratspräsident António Costa mitteilen, man werde im Juli einen EU-China-Gipfel abhalten; und da die Volksrepublik darauf beharrt habe, das Treffen in ihrer Hauptstadt durchzuführen, reise man dazu gar nach Peking. Kürzlich bestätigte dann das Europaparlament, China habe die Sanktionen gegen vier noch aktive Europaabgeordnete, die es im März 2021 verhängt hatte, aufgehoben. Was ist da los?
Zum Weiterlesen: US-Wirtschaft auf Schrumpfkurs? Donald Trumps Handelspolitik und der eskalierende Streit mit China belasten die Ökonomie spürbar
Es ist Krisenzeit. Weil US-Präsident Donald Trump nicht nur die Weltwirtschaft, sondern auch die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen gezielt schädigt, drohen den Unternehmen in der EU – und zwar vor allem den deutschen, die ein besonders starkes US-Geschäft unterhalten – gravierende Einbußen. Dabei lässt sich nicht absehen, ob diese vorübergehend oder vielleicht sogar dauerhaft sein werden. Letzteres droht, weil Trump Zölle in Höhe von mindestens zehn Prozent verstetigen und Investitionen aus Europa in die USA abwerben will.
Der Kampf dagegen wird hart. Stark genug, um sich gleichzeitig einen eskalierenden Konflikt mit Peking zu leisten – einen Wirtschaftskrieg an zwei Fronten, wenn man so will, oder sogar an drei, zählt man die Sanktionsschlachten gegen Russland hinzu –, ist die EU nicht. Also braucht sie zumindest ein wenig Entspannung gegenüber China.
Jörg Kronauer ist Redaktionsmitglied bei www.german.foreign-policy.com.
Die Chance lassen sich diejenigen Konzerne nicht entgehen, die ohnehin Interesse an einer engen Kooperation mit der Volksrepublik haben. Bestes Beispiel: die deutsche Automobilindustrie. Unternehmen wie Volkswagen haben lange rund ein Drittel ihres Umsatzes in China erzielt. Was dann droht, wenn dort die Gewinne einbrechen und man mit ihnen nicht mehr das schwächelnde Europageschäft ausgleichen kann, sieht man seit einiger Zeit bei den Wolfsburgern. Es kommt hinzu, dass chinesische Firmen »zunehmend Innovationsführer« sind, wie es in einem Schreiben heißt, mit dem sich rund drei Dutzend deutsche Unternehmen kurz nach von der Leyens Telefonat mit Li an die künftige Bundesregierung wandten. Wolle man »bei Innovationen mithalten«, dann müsse man mit ihnen kooperieren, von ihnen lernen. Auf die Elektroautobranche, bei der chinesische Hersteller längst die Nase vorn haben, trifft das zu – und nicht nur auf sie.
Doch auch wenn es wirklich zu einer gewissen wirtschaftlichen Annäherung kommen sollte – dass die von Dauer sein könnte, daran sind Zweifel angebracht. Dass die EU sich in transatlantischen Krisenzeiten mit Hilfe des Chinageschäfts aus dem Sumpf zu ziehen sucht, ist nicht neu. Das war bereits in der großen Finanzkrise des Jahres 2008 der Fall. Als das Geschäft mit den USA danach wieder rund lief, ging das Armdrücken mit China in die nächste Runde.
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