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Großbritannien: Flucht nach vorne
Martin Ling über den Deal von Großbritannien mit Mauritius
Es ist die Flucht nach vorne, eine Einsicht in fragwürdiges koloniales Gebaren ist es nicht. Großbritannien hat ein 3,4 Milliarden Pfund (etwa 4 Milliarden Euro) schweres Abkommen unterzeichnet, um die Souveränität über die Chagos-Inseln an Mauritius zu übertragen. Im Gegenzug behält es die Kontrolle über eine britisch-US-amerikanische Militärbasis auf Diego Garcia – der größten der Inseln.
Die Labour-Regierung sagt offen, dass die Angst vor der internationalen Justiz der Ratgeber für diesen Deal war. »Ohne diese Einigung könnten wir innerhalb weniger Wochen vor einem verlorenen Gerichtsurteil stehen, infolge dessen der Stützpunkt innerhalb weniger Jahre nicht mehr betrieben werden könnte«, warb Verteidigungsminister John Healey im Parlament um Zustimmung. Dort muss das Abkommen noch ratifiziert werden.
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In der Tat steht Großbritannien juristisch auf verlorenem Posten: Eine Reihe von Urteilen verschiedener UN-Gremien kamen ausnahmslos zum Schluss, wonach die Chagos-Inseln zu Mauritius gehören. UN-Generalsekretär António Guterres begrüßte in einer Erklärung die Einigung und sagte, sie zeige »den Wert der Diplomatie bei der Bewältigung historischer Missstände«.
Von historischen Missständen will Großbritannien freilich nichts wissen. Ein Eingeständnis, dass die Verwaltung der damaligen britischen Kolonie Mauritius 1965 zwangsweise die Chagos-Inseln für drei Millionen Pfund abtreten musste, um drei Jahre später die Unabhängigkeit zu erlangen, kommt London nicht über die Lippen.
Großbritannien geht es nicht um eine Wiedergutmachung kolonialen Unrechts. Premierminister Keir Starmer benennt den Hintergrund offen: »Die über 99 Jahre laufende Vereinbarung über die Rückmietung von Diego Garcia sei notwendig, um den Stützpunkt vor ›bösartigem Einfluss‹ zu schützen.« Gemeint ist vor allem vor China, dem großen geostrategischen Rivalen des Westens, den Starmer vor der Absegnung des Deals in Form der Fünf-Augen-Allianz – dem Vereinigten Königreich, den USA, Kanada, Australien und Neuseeland – mit ins Boot genommen hat. Die »laufenden Kosten« des Stützpunktes übernehmen die USA, so Starmer. Das Abkommen mit Mauritius ist schlicht ein geostrategischer Deal zur Sicherung eigener Interessen – ein weiterer Akt des Neokolonialismus.
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