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Francesca Albanese: Schön mutig

Mithu Sanyal hält große Stücke auf die UN-Sonderberichterstatterin für die besetzten Gebiete Palästinas

Francesca Albanese
Francesca Albanese

Die britische Comedyshow »The Guilty Feminist« fängt stets mit den Worten an: »I’m a feminist but ...« und die Gäste müssen den Satz dann beenden. Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als einmal dort eingeladen zu werden. Okay, ich wünsche mir Weltfrieden sehnlicher. Aber danach wünsche ich mir, zu »The Guilty Feminist« zu gehen. Mein »but« wäre: »Ich bin Feministin, aber ... das erste Mal ist mir Francesca Albanese aufgefallen, weil sie so schön ist.«

UN-Sonderberichterstatterinnen für die besetzten Gebiete Palästinas müssen schön sein, weil Mithus besser sehen als denken können. Albanese dagegen denkt nicht nur messerscharf, sie hat im Gegensatz zu 99,9 Prozent aller Menschen in öffentlichen Ämtern keine Angst davor, ihre Analysen laut zu äußern. Auch dann, wenn sie Kritik an der israelischen Regierung beinhalten.

Aber Israel verteidigt sich doch nur gegen die Hamas! Ist es Selbstverteidigung, den Palästinenser*innen unter Androhung des Todes zu verbieten, in ihr eigenes Meer zu gehen? (Eigentlich wollte ich meine Kolumne darüber schreiben. Doch es fällt mir beim besten Willen kein Witz dazu ein, einer verhungernden, verdurstenden, bombardierten, durchgehend von Drohnen verfolgten Bevölkerung die einzige Möglichkeit zu nehmen, sich zu waschen. Die einzige Möglichkeit, frisches Essen zu fischen. Die einzige Schönheit im Leben.)

Mithulogie
Mithu Sanyal, Schriftstellerin und Kulturwissenschaftlerin, aufg...

Mithu Melanie Sanyal ist Schriftstellerin, Journalistin und Kulturwissenschaftlerin, Tochter eines indischen Ingenieurs und einer polnischstämmigen Sekretärin, aufgewachsen in Düsseldorf. In ihren Sachbüchern und Romanen – ihr erster: »Identitti« war ein Riesenerfolg, in ihrem zweiten: »Antichristie« geht es um den bewaffneten Kampf gegen das Empire –, in Hörspielen und Essays verhandelt sie Fragen von Feminismus, Rassismus und sexueller Gewalt. Was Mithu Sanyal veröffentlicht, löst Debatten aus, und zwar ergiebige. Sie wird für uns über alles zwischen Alltag, Politik und Literatur schreiben.

Wenn dies ein Thriller wäre, würden die USA die Vereinten Nationen darauf unter Druck setzen, Albanese das Mandat zu entziehen. Und genau das passierte, nur knickte die Uno nicht ein. Also verhängten die Vereinigten Staaten Sanktionen gegen sie, O-Ton US-Außenminister Marco Rubio: »wegen ihrer unrechtmäßigen und beschämenden Bemühungen, Maßnahmen des Internationalen Gerichtshofs gegen US-amerikanische und israelische Beamte, Unternehmen und Führungskräfte zu veranlassen«. Mit anderen Worten: weil sie ihren Job macht. Mit noch anderen Worten: weil ihr aktueller Bericht »Von der Wirtschaft der Besatzung zur Wirtschaft des Völkermords« die Antwort auf die Frage liefert: Warum gibt es Krieg?

Weil er einfach verdammt lukrativ ist. Nicht für die Zivilbevölkerung in Gaza, die alles, alles, alles verloren hat. Auch nicht für israelische Zivilisten. Doch die Börse in Tel Aviv hat ihren Wert um 213 Prozent gesteigert. Auch deutsche Unternehmen wie Siemens, Volkswagen und Thyssen-Krupp verdienen eine goldene Nase und sind, inklusive ihrer Lobbyisten im Bundestag, nicht daran interessiert, den Krieg gegen Gaza zu beenden.

Zum Thema: »Sie hat sich hier einen Strohmann aufgestellt« – Der Journalist Jakob Reimann wird von Karoline Preisler verklagt. Es geht um ihre Behauptung, Israel sei stets »der menschlichere Akteur«

Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr bin ich der Überzeugung, der einzige Weg aus diesem Teufelskreis ist, Firmen zu verbieten, mit Rüstung Profite zu machen. Wie wäre es, wenn auf Rüstungseinnahmen Steuern von 90 Prozent bezahlt werden müssten? Um nur noch Waffen zur Selbstverteidigung zu produzieren. Selbstverständlich könnten die Firmen mit anderen Produkten verdienen, was sie wollen. Schwerter zu Pflugscharen.

Oh, und ich schließe mich der Forderung an, Francesca Albanese und den Ärzten von Gaza den Friedensnobelpreis zu verleihen.

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