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Das letzte Hurra des Romain Bardet

Der frühere Bergkönig der Tour de France beendet seine Karriere beim Criterium du Dauphiné

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 4 Min.
Der 34-jährige Romain Bardet steht beim Criterium du Dauphiné im Mittelpunkt, obwohl er kaum eine Chance auf den Gesamtsieg hat.
Der 34-jährige Romain Bardet steht beim Criterium du Dauphiné im Mittelpunkt, obwohl er kaum eine Chance auf den Gesamtsieg hat.

Menschen suchen die Zuneigung anderer Menschen. Da geht es Stars genauso wie gewöhnlichen Sterblichen. Romain Bardet wählte für seinen letzten Auftritt als Berufsradfahrer deswegen ein Spitzenrennen aus, das über seine täglichen Trainingsberge führt und Freunde und Nachbarn an die Strecke bringt. »Ich bin hier seit 2020 nicht angetreten, aus diversen Gründen. Es ist aber mein Heimatrennen. Und ich wollte hier Abschied nehmen«, sagte er französischen Medien vor dem Start.

Seit dem holt er sich täglich das Bad in seiner Menge ab. Etwa, als er am Montag auf der zweiten Etappe 20 Kilometer vor dem Ziel noch einen Fluchtversuch startete. »An dem Berg, der Côte de Nonette, habe ich in den letzten 25 Jahren immer wieder trainiert. Es war eine Supergelegenheit«, bekannte Bardet. Gnade bei den Berufskollegen fand er aber nicht. Die Sprinterteams brachten das Peloton rechtzeitig wieder an ihn heran. Muskelmann Jonathan Milan setzte sich dann entschlossen durch. Bardet nahm es nicht krumm, jedenfalls nicht nach außen. Tags darauf konnte er sich über großen Jubel beim Start der 3. Etappe in seiner Heimatstadt Brioude freuen.

Beine reichen nicht mehr für ganz vorne

Dass der Kletterspezialist mitten in der Saison die Rennkleidung endgültig ausziehen wird, hat auch damit zu tun, dass er selbst keine großen Taten mehr von sich erwartet. »Ich wollte nicht die Tour de France mit einer Leistung im Nirgendwo beenden«, begründete er den Verzicht auf alle weitere Rennen nach der einwöchigen Dauphiné. »Denn wenn ich ehrlich bin, habe ich dort auch keine realistische Chance mehr auf Erfolge«, schätzte er ein.

Also wurde 2025 nur zur Halbsaison erkoren. Motivation war auch, es beim Giro d’Italia noch einmal zu versuchen. Nicht der Gesamtsieg war dort das Ziel des früheren Gesamtzweiten der Tour de France, aber doch wenigstens ein Etappensieg. Das kleine Grand Tour Triple, Etappensiege bei allen drei großen Rundfahrten, war die ersehnte Beute. Daraus wurde nichts. Am nächsten kam Bardet auf der 17. Etappe nach Bormio. Mehr als 100 Kilometer brachte er da in der Fluchtgruppe des Tages zu, er erwies sich auch als der Schlaueste der Ausreißer. Dann aber fing ihn der damalige Mann in Rosa, der Mexikaner Isaac Del Toro, noch ab.

Es war das eindrückliche Bild eines Generationenwechsels. Der 21-jährige Del Toro kann nicht nur auf den langen Kanten klettern. Er hat auch die Explosivität für Sprints und ist zudem im Zeitfahren gut. Bardet, jetzt 34 Jahre alt – und damit nicht einmal der Älteste bei der Dauphiné – das ist Italiens Veteran Alessandro De Marchi (39) – konnte Zeit seiner Karriere nur eines richtig gut: ausdauernd schnell klettern. Das brachte ihm Erfolge wie eben das Bergtrikot der Tour 2019 oder den Podiumsplatz in Paris 2016. Sein Talent führte aber vor allem zu überhöhten Erwartungen seiner Landsleute, endlich die Durststrecke nach dem letzten französischen Tour-Sieg zu beenden. Das war 1985. Bardet war damals noch nicht einmal geboren.

Das gelbe Trikot als letztes Highlight

An dieser Last trug der Athlet. Die Erwartungshaltung der Grande Nation verhinderte auch, dass er sich auf dem Höhepunkt seiner Leistungsfähigkeit bereits dem Giro zuwendete. Erst ein Wechsel von seinem französischen Rennstall AG2R zum damals in Deutschland lizensierten DSM (heute als Picnic Post-NL in den Niederlanden eingetragen) verschaffte ihm diese Freiheiten. Da waren aber schon die Jüngeren, auch Explosiveren am Start, etwa Egan Bernal, der bei Bardets Giro-Debüt gewann, oder Simon Yates, der damals Dritter wurde und in diesem Jahr das rosa Trikot nach Hause brachte. Und dann ist da natürlich Tadej Pogačar, der Bardet bei so ziemlich jedem Rennen seit 2020 den Schneid abkaufte. Selten nur konnte der Franzose den Spieß umdrehen. Größte Genugtuung war für ihn wohl der Etappensieg bei der Tour de France 2024, der ihm auch das so ersehnte, bis dato aber niemals getragene Gelbe Trikot bescherte.

Jetzt bei der Dauphiné hat Bardet nur noch geringe Erwartungen an sich. »Mir steckt der Giro noch in den Knochen«, gab er zu – und wuchs schon in die Rolle des Kommentators und Analytikers hinein, die nach Karriereende nur folgerichtig wäre. »Es ist schön, dass die Favoriten für die Tour de France allesamt hier sind. Um Pogačars Form muss man sich, glaube ich, keine Sorgen machen. Wichtiger ist es für Remco Evenepoel und Jonas Vingegaard, die weniger Rennen in den Beinen haben. Beide wollen sehen, ob sie auf ähnlichem Niveau wie Pogačar sind«, meinte er. Viel Höffnung macht er den Herausforderern aber nicht. »Ich denke, Pogačar wird an den langen Bergen das Rennen dominieren«, blickte er auf das kommende Bergwochenende der Dauphiné wie auch auf die Tour de France im Juli voraus.

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