Krank und trotzdem abgeschoben

Tschetschenische Familie von der Polizei wie Kriminelle behandelt

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 2 Min.

Bis letzte Woche lebte ein tschetschenisches Ehepaar in einem Berliner Flüchtlingsheim. In den frühen Morgenstunden rückte die Polizei an. Die Familie mit ihren drei Kindern – ein viermonatiger Säugling, sowie die sechs und sieben Jahre alten Geschwister – wurde festgenommen und sofort nach Polen abgeschoben. Vor den Augen der Kinder seien dem Vater Valid D. Handschellen angelegt worden, bevor er abgeführt wurde, berichteten empörte Mitbewohner des Heims.

Heftige Kritik kommt auch vom Flüchtlingsrat. Er weist in einer Presseerklärung auf die schweren gesundheitlichen Probleme der drei Kinder hin. Sie seien krank gewesen. Georg Classen vom Flüchtlingsrat verweist auf eine ärztliche Aussage, nach denen die Kinder wegen ihrer gesundheitlichen Probleme nicht reisefähig seien. Das älteste Kind habe sich seit Juli 2007 in psychologischer Behandlung bei einem Kinderpsychologen des Behandlungszentrums für Folteropfer befunden. Eine Amtsärztin des Bezirksamtes Spandau habe bei dem Siebenjährigen eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert.

»Obwohl diese Erkrankung dem für die Koordination der Abschiebung nach Polen zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bekannt war und der Ausländerbehörde mitgeteilt worden war, dass die Familie nicht reisefähig sei, hielten es die Behörden nicht für nötig, die Kinder von einem Arzt untersuchen zu lassen«, kritisiert Georg Classen. Sie seien im Abschiebegewahrsam lediglich einem Polizeisanitäter vorgestellt worden, der die Familie kurzerhand für reisefähig erklärte. Classen sieht in der unterschiedlichen Beurteilung des Gesundheitszustandes nichts Ungewöhnliches. Schon in der Vergangenheit hätten Polizeisanitäter des Abschiebegewahrsams ärztliche Aufgaben wahrgenommen und bei lebensbedrohlichen Erkrankungen wie einem Herzinfarkt Fehldiagnosen gestellt und so die rechtzeitige Einleitung ärztlicher Versorgung verhindert. Die dringend benötigte ärztliche und psychologische Versorgung der Kinder der Familie sei nach der Abschiebung in Polen nicht sichergestellt.

Deshalb bemüht sich die Berliner Rechtsanwältin Antonia von der Behrens, die die Abgeschobenen juristisch vertritt, um eine schnelle Rückkehr der Familie nach Berlin. Eile sei geboten, damit weitere gesundheitliche Schäden bei den Kindern vermieden werden.

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