AfD-Chef: Auch auf Bundesebene Kontakt zum BSW

Sahra Wagenknecht bekundet Offenheit für Kooperationen in Sachfragen

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Berührungsängste gibt es schon länger keine: Alice Weidel (l.), Partei- und Fraktionsvorsitzende der AfD, und BSW-Chefin Sahra Wagenknecht nach dem TV-Duell bei Welt-TV im Oktober 2024
Berührungsängste gibt es schon länger keine: Alice Weidel (l.), Partei- und Fraktionsvorsitzende der AfD, und BSW-Chefin Sahra Wagenknecht nach dem TV-Duell bei Welt-TV im Oktober 2024

Sahra Wagenknecht zeigt sich offen für politische Gespräche mit der AfD auch auf Bundesebene. Aktuell gebe es dies nicht, das sei eine Phantomdiskussion, sagte die Vorsitzende des Bündnisses Sahra Wagenknecht der Deutschen Presse-Agentur. »Aber wenn Sie mich fragen, ob ich auch mit Herrn Chrupalla reden würde, wenn es einen konkreten Anlass dafür gäbe, wie es in Thüringen bei dem Gespräch der Fraktionsvorsitzenden der Fall war: ja, selbstverständlich.«

Zuvor hatte AfD-Chef Tino Chrupalla Kontakte zum BSW mit Blick auf ein Gespräch zwischen den Thüringer Landtagsfraktionschefs beider Parteien auch auf Bundesebene befürwortet. Auf die Frage, ob er und die Ko-Vorsitzende Alice Weidel für Gespräche mit Wagenknecht zur Verfügung stünden, sagte er dem Sender Welt-TV: »Ja, also immer.« Es gebe sogar schon Gespräche mit dem BSW: »Über das, was Deutschland bewegt und wie man Mehrheiten verändern kann.«

In Thüringen hatte der Vorsitzende der BSW-Landtagsfraktion, Frank Augsten, am Mittwoch mit dem dortigen AfD-Fraktionschef Björn Höcke ein zweistündiges Gespräch geführt. Anlass war eine Blockade bei der Besetzung wichtiger Justizgremien in dem Bundesland. Besprochen wurde aber nach Darstellung beider Seiten auch die Landespolitik allgemein.

Der AfD-Landesverband ist vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Höcke ist in der AfD einer der Wortführer der äußersten Rechten. Das BSW regiert in Thüringen in einer Koalition mit CDU und SPD. Die Sozialdemokraten rieten von weiteren Treffen ab.

»Wenn Sie mich fragen, ob ich auch mit Herrn Chrupalla reden würde, wenn es einen konkreten Anlass dafür gäbe: ja, selbstverständlich.«

Sahra Wagenknecht BSW-Vorsitzende

Chrupalla sagte in dem »Welt«-Interview hingegen, solche Gespräche seien »absolut richtig und vor allen Dingen auch im Bürgerinteresse. Das haben hier die Bürger gewählt«. Die AfD sei in Thüringen mit Abstand stärkste Kraft und werde von den anderen Parteien ausgeschlossen.

BSW-Chefin Wagenknecht wirbt seit Längerem für einen offenen Umgang mit der AfD und auch Regierungsbeteiligungen der AfD. Gespräche sollten »normal sein in einer Demokratie«, sagte sie. »Die AfD wird aktuell von mehr als jedem fünften Wähler gewählt. Ausgrenzung und Redeverbote sind undemokratisch und eine Ohrfeige für diese Wähler, die sie nur noch mehr an die AfD binden.« Die Politik der Brandmauer habe die AfD stärker gemacht. Konkret erklärte Wagenknecht eine Koalition der CDU mit der extrem rechten Partei in Sachsen-Anhalt für sinnvoll. Dort liegt die CDU aktuell in Umfragen bei um die 34, die AfD bei 30 Prozent.

Union, SPD, Grüne und Linke halten hingegen die Positionen und Ziele der AfD mit ihren eigenen für unvereinbar und wollen keine politische Zusammenarbeit. Bei den Wahlen zu Ausschussposten und für die Position eines Vizepräsidenten des Bundestags fanden sich keine Mehrheiten für Kandidaten der AfD.

Das BSW ist seit der Wahl im Februar im Bundestag nicht mehr vertreten. Die junge Partei war mit 4,981 Prozent knapp an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Etwaige Gespräche beider Seiten hätten also keine Bedeutung für Mehrheitsverhältnisse im jetzigen Bundestag. In Wahlkämpfen versprach das BSW eine »konsequente Friedenspolitik« und einen »Stopp der unkontrollierten Migration« – Themen, die auch die AfD besetzt.

Das BSW im Europaparlament hatte derweil am Donnerstag angekündigt, gemeinsam mit der extremen Rechten für ein Misstrauensvotum gegen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zu stimmen. Auch die AfD signalisierte Unterstützung.

Zum Gespräch in Erfurt erklärte BSW-Fraktionschef Augsten, er und Höcke hätten »konstruktiv und offen über unsere unterschiedlichen Sichtweisen, Probleme und Perspektiven der aktuellen Landespolitik gesprochen«. Höcke habe abgestritten, dass die AfD ein Interesse daran hat, dass der Staat nicht funktioniert. Die Initiative zu dem Treffen war von Augsten ausgegangen. Auslöser war die Blockade bei der Besetzung wichtiger Justizgremien im Freistaat durch die AfD, die im Thüringer Landtag stärkste Kraft ist und mehr als ein Drittel der Sitze hat. Deshalb konnten Mitglieder des Richter-Wahlausschusses und des Staatsanwälte-Wahlausschusses nicht gewählt werden. Beide Gremien sind wichtig, um Richter und Staatsanwälte auf Lebenszeit zu ernennen.

Um einen Ausweg aus der festgefahrenen Situation zu suchen, hatte Augsten der AfD das direkte Gespräch angeboten. Thema dabei war nach Angaben des BSW-Fraktionschefs auch die rechtssichere Ernennung von Richtern und Staatsanwälten auf Lebenszeit. Hier habe man Lösungsansätze besprochen, sei aber noch zu keinem Ergebnis gekommen. »Wir haben verabredet, dass wir uns nach der Sommerpause und nach Absprache mit unseren Fachleuten und Koalitionspartnern gegebenenfalls noch mal zusammensetzen, um zu schauen, wie wir bei diesem ernsten Problem weiterkommen«, so Augsten. Insbesondere die SPD hat sich gegen weitere Gespräche ausgesprochen. nd/Agenturen

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