Die Scheinwahlen des Diktators

Myanmars Militärjunta strebt nach mehr Legitimität unter der Bevölkerung

  • Thomas Berger
  • Lesedauer: 4 Min.
Myanmars Militärchef Min Aung Hlaing trifft zur Feier am Tag der Streitkräfte in der Hauptstadt Naypyidaw ein, um eine Rede zu halten.
Myanmars Militärchef Min Aung Hlaing trifft zur Feier am Tag der Streitkräfte in der Hauptstadt Naypyidaw ein, um eine Rede zu halten.

General Min Aung Hlaing, der mit seinen Getreuen am 1. Februar 2021 mit dem Putsch die nur kurze demokratische Phase in dem südostasiatischen Land abrupt beendet hatte, ist neuerdings nicht mehr in Personalunion auch Premierminister. Der Armeechef gibt das parallel gehaltene Amt an der Kabinettspitze auf, bleibt aber die final entscheidende Instanz. Auch andere zuletzt angekündigte Neuerungen – darunter die Auflösung des State Administration Council (SAC), wie sich das höchste Gremium der Junta in Naypyidaw offiziell nannte – sind nur kosmetischer Natur.

Zentral bleibt eines: Der seit dem Putsch geltende Ausnahmezustand ist am 31. Juli ohne eine weitere Verlängerung ausgelaufen. Damit kehrt im Land noch keine Normalität oder mehr Freiheit ein. Aber das Militärregime will wählen lassen – das geht nur ohne Ausnahmezustand. »Binnen der nächsten sechs Monate« soll der Urnengang stattfinden, so ein Armeesprecher: eine Fristsetzung bis Ende Januar.

Asean will Mission nach myanmar entsenden

Anfang dieser Woche hatte der Verband Südostasiatischer Nationen (Asean) die Entsendung einer neuen Mission in das Mitgliedsland angekündigt. Angeführt wird die Delegation, die ihre Reise am 19. September antreten soll, von Malaysias Außenminister Mohamad Hasan. Malaysia hat derzeit den Vorsitz der Zehner-Regionalgemeinschaft. Mit zum Team dürften seine Amtskollegen aus Indonesien, Thailand und von den Philippinen zählen, hieß es. Die Gruppe will sich nicht nur vor dem nächsten Asean-Gipfel im Oktober insgesamt ein aktuelles Lagebild im unruhigen Myanmar machen.

Auch die angekündigten Wahlen werden beim Austausch vor Ort ein Thema sein, so Hasan. Denn selbst die anderen südostasiatischen Staaten bezweifeln berechtigterweise, dass es wirklich zu allgemeinen und freien Wahlen kommen wird. Tatsächlich ist klar: Die sich wirklich demokratisch gebenden Kräfte, vorneweg die 2016 bis zum Putsch unter Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi regierende Nationale Liga für Demokratie (NLD), bleiben ausgeschlossen. Die NLD hat wie andere Gruppen ihre Parteiregistrierung verloren. Wer von den einstigen Führungskadern nicht im Gefängnis sitzt, eventuell dort schon verstorben ist, dürfte ins Exil gegangen oder im Land untergetaucht sein.

Unklar ist, wie diese Wahl-Farce unter Bürgerkriegsbedingungen funktionieren soll.

55 Parteien, verlautete zuletzt von der regimetreuen Wahlkommission, seien für den Urnengang zugelassen, neun davon wollen auf nationaler Ebene Kandidaten für das Parlament ins Rennen schicken. Es handelt sich gänzlich um mit der Junta verbündete Kräfte, und auch der mutmaßliche Sieger steht schon fest: die Union Solidarity and Development Party (USDP), 2011 aus einer Massenorganisation der vorherigen Diktatur entstanden.

Im demokratischen Wettstreit mit der NLD kam die vor allem von ehemaligen Offizieren getragene Partei 2015 nicht über ein knappes Drittel der Stimmen und acht Prozent der Sitze hinaus. Nun soll sie das Vehikel bilden, dem brutalen, gegen weite Teile der eigenen Bevölkerung Krieg führenden Militärstaat nach außen mehr Legitimität zu geben. Bisher kann sich Min Aung Hlaing zwar vor allem auf die traditionelle Schutzmacht China sowie gewisse Unterstützung aus Russland, Indien und Pakistan stützen. Der politische Westen hatte nach dem Putsch Sanktionen verhängt, die USA unter dem unberechenbaren Donald Trump könnten aber wenigstens einen Teil davon lockern.

Wahlen im Bürgerkrieg

Unklar ist, wie diese Wahl-Farce unter Bürgerkriegsbedingungen funktionieren soll. 63 Gebiete stehen konkret unter Kriegsrecht und sind umkämpft, rief Hasan in Erinnerung. Den nordwestlichen Teilstaat Rakhine kontrolliert nahezu vollständig (14 von 17 Townships) die Arakan Army (AA). Sie darf als militärisch wohl stärkste der diversen bewaffneten Gruppen ethnischer Minderheiten gelten. Während andere an ihren Frontabschnitten zuletzt eher in die Defensive gedrängt waren und die Junta wieder Luftangriffe etwa auf das Hauptquartier der Karen National Union (KNU) flog, rückt die AA mit ihren Einheiten nun in Rakhines Nachbarprovinz Ayeyarwady vor.

Der Monatsbeginn markierte nunmehr viereinhalb Jahre seit dem Putsch. Suu Kyi, im Juni 80 geworden, wird gesundheitlich angeschlagen in Hausarrest gehalten. In den Gefängnissen sind die Zustände noch weitaus schlimmer. Dort werde den Inhaftierten sogar grundlegende medizinische Versorgung vorenthalten, sagte eine Gefangenen-Hilfsorganisation der Karenni-Minderheit dieser Tage in einem Artikel des Newsportals The Irrawaddy als Beispiel über den Knast in Loikaw.

- Anzeige -

Andere Zeitungen gehören Millionären. Wir gehören Menschen wie Ihnen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Dank der Unterstützung unserer Community können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen ins Licht rücken, die sonst im Schatten bleiben
→ Stimmen Raum geben, die oft zum Schweigen gebracht werden
→ Desinformation mit Fakten begegnen
→ linke Perspektiven stärken und vertiefen

Mit »Freiwillig zahlen« tragen Sie solidarisch zur Finanzierung unserer Zeitung bei. Damit nd.bleibt.

- Anzeige -
- Anzeige -