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Ein Knoten im Netz der radikalen Linken
Hamburg: Seit 50 Jahren steht das Team des Infoladens »Schwarzmarkt« Interessierten zur Verfügung
Susanne ist seit Jahrzehnten aktiv in Initiativen im Hamburger Bezirk Altona. Für sie war der Infoladen »Schwarzmarkt« »immer ein wichtiger Ort für einen offenen Diskurs«. Nie sei sie dort »diskriminiert oder sozial herabgesetzt worden«, erzählt sie, die diese linke Hamburger Institution seit ihren Anfängen kennt.
Die feiert jetzt ihr 50-jähriges Jubiläum. Im Sommer 1975 wurde das »Infocentrum Schwarzmarkt« im Hamburger Grindelviertel nahe der Universität von undogmatischen Linken, die sich damals »Spontis« oder »Alternative« nannten, in der Bundesstraße in Hamburg eröffnet, im Souterrain eines prächtigen Altbaus. Auch ein paar Anarchist*innen waren dabei.
Der »Schwarzmarkt« war von Beginn an ein Treffpunkt, ein Ort des Austauschs von Informationen, aber anders, als es der Name nahelegt, nicht als marktförmiger Tausch. Die heutige Ladengruppe schreibt in ihrem Rückblick auf 50 Jahre Infoladen: »Es lässt sich schon festhalten, dass Initiativen wie der Schwarzmarkt in seiner Gründungszeit viele Ideen, die heute etabliert sind oder technisch einfacher umzusetzen sind, vorgedacht oder auch initiiert haben – ein Infocentrum als Internetbörse ohne Internet knapp 20 Jahre vor dessen Entstehung.«
Wichtig ist der Laden bis heute als Postadresse für kleinere radikale linke Gruppen und Medien, die sich keine eigenen Büros leisten können – der Kleine Schäferkamp steht bei unzähligen Veröffentlichungen im Impressum. Und er ist ein wichtiger Umschlagsort für linke Publikationen vom Flyer bis zum Buch: »Anfang der 80er Jahre konnte ich mir dort als Schülerin nachgedruckte Literaturausgaben kaufen, die ich dringend für den Unterricht brauchte«, erinnert sich Susanne aus Altona. »Vermutlich hätte ich das Abitur nicht bestehen können ohne diese kostbaren Nachdrucke.«
Auch wer sich über aktuelle Kampagnen der undogmatischen Linken informieren will, wird dort fündig – und kann gleich mit jemandem aus der Ladengruppe darüber diskutieren. »In der Zeit des Studiums konnte ich dort Bücher kaufen, die in normalen Buchhandlungen nicht zu bekommen waren, das war wichtig, wenn ich Material brauchte zur wissenschaftlichen Argumentation«, erzählt Susanne.
Der »Schwarzmarkt« ist zweimal umgezogen – einmal 1987 gewollt nach St. Pauli an den Paulinenplatz, um dort zu sein, wo zu der Zeit von Seiten der radikalen Linken am meisten passierte. Die besetzten Häuser an der Hafenstraße waren gerade mit großen Mobilisierungen und zur Militanz bereiten Barrikadentagen legalisiert worden. Doch 1992 kündigte der Hausbesitzer dem Infoladen, um die Räume lukrativer vermieten zu können.
Aber die linke Szene fing das Ladenkollektiv auf: Gerade war am Kleinen Schäferkamp ein größeres Hausprojekt legalisiert worden. Dieses stellte zu einem günstigen Mietpreis eine Ladenwohnung zur Verfügung. Bis heute werden dort Informationen ausgetauscht, auf dem Sofa sitzend Zeitungen durchgeblättert, treffen sich politische Gruppen, können Aufkleber und andere Artikel erworben werden. Nicht alles wird verkauft, die Ladengruppe hinterfragte oft, ob Angebote zu kommerziell waren oder politisch nicht unterstützt werden sollten. Damit rang das Plenum des Infoladens auch um das eigene Profil und um den Anspruch, nur zur Verbreitung von Inhalten beizutragen, die man selbst unterstützte.
Auch die 2017 eingestellte Publikation »Zeck – Info aus der Roten Flora« nutzte die Infrastruktur des »Schwarzmarkts«. Im Inhaltsverzeichnis des monatlich erscheinenden Blattes wurde angegeben, welche Diskussionspapiere oder Artikel nicht abgedruckt wurden – und dass diese im Ordner der »Zeck« im »Schwarzmarkt« eingesehen oder auch kopiert werden können. Im Laden lagen Ordner auch zur Arbeit anderer Gruppen oder Kampagnen aus – eine in der Zeit vor dem Internet unverzichtbare Informationsquelle und Austauschmöglichkeit. Auch, weil so mehr oder weniger unkontrolliert kommuniziert werden konnte. Allerdings ist eine solche Infobörse nur gut, wenn sie auch genutzt wird.
Bis heute stellt der »Schwarzmarkt« Informationen zur Verfügung. Hilfreich im linksradikalen Alltag. So gratulierte auch die Rote Flora: »Die Geschichte der radikalen Linken in Hamburg wäre ohne euch und die Infrastruktur, die ihr seit Jahren stellt, so nicht möglich gewesen. Schön das es euch immer noch gibt!« Der kleine Infoladen und das große linke Zentrum sind zwei wichtige Räume für die undogmatische Linke in Hamburg. Oder, wie die Rote Flora erklärt: »Auch wenn die gesellschaftlichen Zeiten immer härter werden und die klassischen Medien eines Infoladens immer mehr aus der Zeit gefallen wirken – die radikale Linke braucht viele Knoten wie euch in ihrem Netz!«
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