Hertha BSC: Fehlstart in die 2. Bundesliga

Hertha BSC steht gegen Preußen Münster im DFB-Pokal bereits unter Druck

  • Johann Caspar Nilius
  • Lesedauer: 6 Min.
Es läuft nicht: Die Hertha Stürmer Dawid Kownacki (l.) und Fabian Reese (r.) haben bisher noch nicht oft genug zueinander gefunden.
Es läuft nicht: Die Hertha Stürmer Dawid Kownacki (l.) und Fabian Reese (r.) haben bisher noch nicht oft genug zueinander gefunden.

Fans von Hertha BSC hoffen seit Jahren darauf, dass ihr Verein sich endlich für das Finale des DFB-Pokals qualifiziert: Schließlich findet dieses Jahr für Jahr im Berliner Olympiastadion statt – ihrem Stadion. »Wenn du in der Stadt zu Hause bist, wo das Finale stattfindet, dann ist der Ansporn groß, es auch mal dahin zu schaffen«, sagt Trainer Stefan Leitl. Nun ist die Hoffnung, dass es bis ins Endspiel geht, eher eine utopische; spielt die Berliner Hertha nun mal in der 2. Bundesliga und ist doch eher chancenlos gegen große Kaliber aus München, Dortmund oder Frankfurt. Und doch hat es die Hertha regelmäßig geschafft, immerhin für eine Weile diese Hoffnung währen zu lassen, wenigstens die ersten Runden des Pokals zu überstehen. Vor zwei Jahren ging die Reise bis ins Viertelfinale, ein Jahr später immerhin noch ins Achtelfinale.

Immer mal wieder wurde die Fanszene dann aber doch früh enttäuscht. In zwei der letzten fünf Jahre musste die Hertha gleich in der ersten Runde gegen Eintracht Braunschweig antreten, seinerzeit jeweils Zweitligist, und verlor. Dieses Lospech als eines der wenigen gesetzten Teams direkt gegen einen Verein aus der 2. Bundesliga zu spielen, während fast alle anderen gegen unterklassige Gegner ran müssen, ereilte die Berliner auch in diesem Jahr: Während die Ligakonkurrenten aus Kaiserslautern, Bochum oder Nürnberg auf Regional- und Oberligisten treffen, muss die Hertha zum Tabellen-15. der letzten Zweitligasaison, Preußen Münster. »Ich glaube, dass es kein schwereres Los gibt«, sagte Leitz auf der Pressekonferenz vor dem Spiel.

Doch nicht nur der Gegner weckt Zweifel an einem guten Abschneiden in diesem Jahr. Zwar geht die Hertha trotz allem als klarer Favorit ins Duell gegen die Westfalen, die bisherigen Leistungen jedoch waren ernüchternd. Ein Tor und ein Punkt aus den ersten zwei Ligaspielen sind zu wenig – die Fans sind wütend über die Auftritte ihres Teams. Nachdem Schiedsrichter Sören Storks das 0:0-Unentschieden im Heimspiel gegen den Karlsruher SC beendete, taten die Fans es ihm gleich: Sie pfiffen.

Mangelnde Qualität auf den Flügeln

Woran liegt es? Trainer Stefan Leitls 5-2-3-System mit zwei Flügelverteidigern und einem Zehner hinter den beiden Spitzen verbindet in der Theorie eine kompakte Defensive mit einer variablen Offensive, bei der sowohl von den Flügeln als auch durch die Mitte Gefahr entstehen kann. Besonders im Angriff konnte die Mannschaft dies aber noch nicht in die Praxis umsetzen – weil sie zwei große Probleme hat.

Auf den Flügelpositionen fehlt es an Qualität: Julian Eitschberger machte im Eröffnungsspiel der 2. Bundesliga auf der rechten Seite keinen guten Eindruck und wurde eine Woche später gegen Karlsruhe von Deyovaisio Zeefuik ersetzt. Der fiel nicht negativ auf und ist ein verlässlicher Spieler – allerdings ist der Niederländer eigentlich für die Position als rechter Innenverteidiger vorgesehen. Auf links startete gegen Schalke noch Michal Karbownik und spielte schlichtweg schlecht – eine Woche später fiel er auch noch verletzt aus. Sein Ersatz Martin Winkler hat zwar die physischen Voraussetzungen für die Flügelposition, keinesfalls allerdings die technischen Fähigkeiten, die es braucht, um für Überraschungsmomente durch schnelle Flügelwechsel zu sorgen.

Da über Außen qualitätsbedingt kaum Gefahr entsteht, ist die Offensive um Starspieler Fabian Reese in der Pflicht. Doch er und seine Kollegen müssen noch beweisen, dass sie zusammen spielen können. Nominell besitzt Hertha eine starke Offensive: Neben Reese startet David Kownacki, der in der Vorsaison für Fortuna Düsseldorf zu den besten Stürmern der Liga gehörte, und hinter den Spitzen agiert Top-Talent Maurice Krattenmacher, der gegen den KSC einer der wenigen Lichtblicke im Spiel der Hertha war. »Du hast zwei unfassbar gefährliche Stürmer und schaffst es nicht, sie in Szene zu setzen«, sagte ein angespannter Stefan Leitl auf der Pressekonferenz nach dem KSC-Spiel. Zur Wahrheit gehört allerdings: Gegner können sich darauf einstellen, dass sie es vor allem mit ihnen zu tun bekommen werden; dass Hertha vor allem versucht, über die Mitte anzugreifen.

Es braucht Zeit

Für Überraschungsmomente zu sorgen, ist dadurch enorm schwer. Auch weil die Hertha-Offensive kaum eingespielt ist. Gegen den KSC konnten die Zuschauer ihren Hoffnungsträgern dabei zusehen, wie sie ausschließlich auf die Aktionen der jeweils anderen reagierten und eben nicht zusammen agierten. Eingeübte Spielzüge? Fehlanzeige: »Wir brauchen noch ein paar Tage, bis sie sich gefunden haben«, gab auch Leitl nach dem Spiel zu. Die größte Gefahr im Spiel ging daher wenig überraschend von einer Einzelaktion aus, als Maurice Krattenmacher mehrere Gegenspieler ausspielte und den Ball an die Latte wuchtete. Die Nachfrage eines Journalisten, ob Reese nicht besser für eine andere Position geeignet wäre, vermeinte der Trainer: »Fabi hat letzte Saison elf Spiele auf der Position gemacht und dabei zehn Tore geschossen.«

Im Pokal gegen Münster lastet nun früh in der Saison bereits großer Druck auf den Spielern. Bei einer weiteren Niederlage und einem frühen Aus im Pokal hätte Hertha einen waschechten Fehlstart hingelegt. Ein unterklassiger Kontrahent, gegen den sich die Stürmer für die kommenden Spiele hätten warm schießen können, war der Hertha nicht vergönnt. Vielmehr erwartet sie ein schweres Auswärtsspiel bei Preußen Münster.

Einer, der ihnen nun Hoffnung macht, ist Kenneth Eichhorn. Der defensive Mittelfeldspieler wurde erst vor drei Wochen 16 Jahre alt, zeigte bei seinem Zweitligadebüt allerdings keinerlei Anlaufschwierigkeiten, forderte Bälle und konnte körperlich mit seinen Gegenspielern mithalten. »Er ist ein Riesentalent, es spricht für ihn, dass er in einer Phase, in der es nicht so läuft, als alleinige Sechs ins Spiel kommt. Ich bin super zufrieden mit ihm«, sagte Leitl über ihn. Könnte er in Münster nun sogar beginnen? »Jeder Spieler, der im Kader steht, ist auch eine Option für die Startelf«, so Leitl. Schon beim Heimspielauftakt am Sonntag wäre Eichhorn eine Option gewesen, über die er nachgedacht habe. Gut vorstellbar ist also, dass er auch gegen Münster auf dem Feld zu sehen sein wird. Dann müssen aber auch seine Kollegen langsam in Fahrt kommen.

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