- Berlin
- AfD
Sportlicher Protest gegen Berliner AfD
Aktionsbündnis Jüterbog plant anlässlich eines Parteitags einen Spendenlauf auf dem Markt der Stadt
»Was Politiker nicht sagen, weil es um Mehrheiten und nicht um Wahrheiten geht«, das sagt der Bundestagsabgeordnete Gregor Gysi (Linke) in seinem gleichnamigen Buch aus dem Jahr 2022. Es verspricht einen »anekdotenreichen Blick hinter die Kulissen des Politikbetriebs«. Für einen Auftritt Gregor Gysis mit »Was Politiker nicht sagen« am 11. Dezember 2026 in der Wiesenhalle von Jüterbog können Interessierte im Internet jetzt schon Eintrittskarten kaufen, die zum Preis ab 25,95 Euro angeboten werden.
Was die Berliner AfD nicht frei heraus sagt: Dass sie am 11. Oktober 2025, also schon in wenigen Tagen, in der Wiesenhalle von Jüterbog ihre Kandidaten für die Abgeordnetenhauswahl im September 2026 nominieren will. Eine gewisse Geheimniskrämerei ist durchaus verständlich. Wenn ein Hotel einen Saal an die AfD vermiete, würden die Fensterscheiben eingeworfen und die Wände beschmiert. Wenn die AfD eine Stadthalle nehme, werde versucht, den Mietvertrag rückgängig zu machen. Wenn die AfD Zelte aufstelle, müssten diese nachts von Wachmännern mit Hunden bewacht werden, weil Brandanschläge drohen. So hieß es von der Berliner AfD, als sie im Oktober 2024 nach Jüterbog im Land Brandenburg auswich, um dort ihre Kandidaten für die Bundestagswahl 2025 aufzustellen. Aber die Gegner der AfD reisten ihr damals und erneut bei einem Parteitag im April 2025 hinterher. Es gab Demonstrationen und Sitzblockaden rund um die weiträumig abgesperrte Wiesenhalle. Die Polizei musste AfD-Mitglieder teils auf Umwegen dorthin geleiten.
Dass diese Partei Probleme hat, Veranstaltungsorte zu finden, zeigte zuletzt auch die Gerichtsverhandlung über eine Räumungsklage gegen die AfD-Bundeszentrale. Notgedrungen hatte die AfD ihr Abschneiden bei der Bundestagswahl am Abend des 23. Februar ohne Genehmigung des Vermieters auf dem Innenhof ihrer Bundeszentrale im Berliner Bezirk Reinickendorf gefeiert. Nun muss sie als Konsequenz daraus ihre Büros dort schrittweise bis Ende 2026 freimachen. In Reaktion auf dieses Urteil des Landgerichts Berlin forderte der stellvertretende Bundesvorsitzende Kay Gottschalk politische Gegner auf, seine AfD mit Argumenten zu bekämpfen und nicht mit Drohungen gegenüber möglichen Vermietern.
Dass die Berliner AfD für den 11. und 12. Oktober die Wiesenhalle gemietet habe, war der »Märkischen Allgemeinen« zu entnehmen. Diese berichtete davon bereits im Juni unter Berufung auf Informationen aus der Stadtverwaltung. Auch der Landtagsabgeordnete Erik Stohn (SPD) bestätigte, dass die Stadt einen Vertrag mit der Berliner AfD geschlossen habe.
Den Hinweis, dass die Berliner AfD am 11. Oktober wieder nach Jüterbog komme, gibt schon länger das Aktionsbündnis Jüterbog mit seinen Mitteilungen zu einer geplanten Gegenaktion – einem Spendenlauf an jenem Tage auf dem Marktplatz der Stadt. Mit jeder auf dem Marktplatz gelaufenen Runde sammeln die Teilnehmer Spenden für ein nicht näher bezeichnetes soziales Projekt und verbinden so ihren Widerstand gegen die AfD mit Solidarität.
Bereits im Vorfeld des Spendenlaufs seien mehr als 700 Euro zusammengekomnmen, erklärt David Ziehrer vom Aktionsbündnis. »Wir haben uns bewusst für eine kreative Form des Protestes entschieden, die der Zivilgesellschaft der Stadt zugutekommt und neben den Protesten und Demonstrationen am Tag selbst auch noch andere Personen anspricht.« Eingeladen seien Einzelpersonen genauso wie Vereine, Schulklassen und Sportgruppen. Man könne selbst mitlaufen oder die Spenden pro Runde für andere Läufer übernehmen. Mit der Aktion solle einerseits das Argument entkräftet werden, die Stadt benötige das Geld, dass die AfD als Miete für die Wiesenhalle zahlt. Andererseits solle »ein deutliches Zeichen für Zusammenhalt und Vielfalt gesetzt werden«. Jede Runde helfe und jeder Euro.
Um welche finanzielle Größenordnung es geht, zeigen Nutzungsverträge, die das Projekt »Frag den Staat« im Internet veröffentlicht hat. Demnach sollte der AfD-Landesverband Brandenburg für Parteitage in der Wiesenhalle im März und im April 2024 einmal 4335 Euro und einmal 12 089 Euro überweisen für Miete, Betriebskosten, Tische, Stühle und Küchennutzung, jeweils zuzüglich einer Kaution von 1000 Euro. Als Unterzeichner dieser Nutzungsverträge vermerkt waren die damalige AfD-Landesvorsitzende Birgit Bessin und der damalige Bürgermeister Arne Raue, der inzwischen AfD-Bundestagsabgeordneter ist.
Mit dem Spendenlauf lassen es die Gegner der AfD am 11. Oktober jedoch nicht etwa bewenden. Die Jugend des Gewerkschaftsbundes DGB mobilisiert zu einer Kundgebung ab 8 Uhr an der Friedrich-Ebert-Straße, Ecke Ettmüllerstraße. Busse sollen Teilnehmer aus Berlin, Ludwigsfelde, Luckenwalde und Trebbin dorthin bringen.
Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen
Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.