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Gescheiterte Misstrauensanträge
Premierminister Lecornu legt Rentenreform auf Eis, um sich die Unterstützung der Sozialisten zu sichern
Der auch von Kommunisten und Grünen unterstützte Misstrauensantrag der linken Bewegung La France Insoumise (LFI) gegen die Regierung Lecornu 2 ist am Donnerstag in der Nationalversammlung gescheitert. Er bekam nur 271 von 289 benötigten Stimmen.
Für die absolute Mehrheit und damit den Sturz der Regierung Lecornu fehlten die Stimmen der Sozialisten. Nur sieben Dissidenten schlossen sich dem linken Misstrauensantrag an, während die meisten PS-Abgeordneten der Empfehlung ihrer Parteiführung folgten, »im Interesse des Landes« zu handeln. Premierminister Lecornu hatte den Sozialisten in seiner Regierungserklärung am Dienstag zugesagt, die umstrittene Rentenreform für zwei Jahre auszusetzen.
Damit wird die Debatte über eine Reformierung des Rentensystems dem 2027 zu wählenden nächsten Präsidenten und Parlament überlassen. Die Neuauflage der Massenproteste von 2023, als die Rentenreform mithilfe des fragwürdigen Ausnahmeparagrafen 49.3 undemokratisch durchs Parlament gebracht wurde, scheint dadurch vorprogammiert.
Durch das jetzt vereinbarte Aussetzen der Reform wird das Renteneintrittsalter vorläufig nicht auf 64 Jahre heraufgesetzt, sondern bleibt bei 62 Jahren und neun Monaten – vorausgesetzt der Rentner hat in seinem Arbeitsleben 170 Quartale lang Beiträge gezahlt. Das kommt Menschen mit Rentenanspruch zugute, aber wird den französischen Staat im kommenden Jahr 400 Millionen Euro und 2027 1,8 Milliarden Euro kosten. Diese Gelder müssen durch Einsparungen auf anderen Gebieten ausgeglichen werden, um die bereits rekordhohe Staatsverschuldung nicht weiter in die Höhe zu treiben.
Sozialisten für »Stabilität«
Auf die Vorwürfe von LFI, die PS-Abgeordneten seien am Donnerstag der Regierung »zu Kreuze gekrochen«, reagierten die sozialistischen Abgeordneten mit der Ankündigung, die Regierung Lecornu nicht bedingungslos zu unterstützen. Falls Lecornu seine Zusagen nicht einhalte, werde man einem neuen Misstrauensantrag zustimmen. Im Augenblick jedoch sei es wichtig, für Stabilität zu sorgen und die fristgemäße Abstimmung über Staatshaushalt und Sozialversicherung sicher zu stellen.
Nach der Abstimmung über den LFI-Antrag folgte das Votum über einen zweiten, durch das Rassemblement National (RN) eingebrachten Misstrauensantrag. Für diesen wurden nur 144 Stimmen abgegeben. Während die RN-Fraktion, einer Weisung ihrer Führung folgend, nahezu geschlossen für den LFI-Antrag gestimmt hatte, verweigerten die LFI-Abgeordneten der extremen Rechten den Zuspruch.
Allerdings stimmten drei Abgeordnete der rechtskonservativen Oppositionspartei der Republikaner für den RN-Antrag, obwohl sich ihre Parteiführung offiziell von beiden Misstrauensanträgen distanziert hatte. Das entspricht einem neuen Trend am rechten Rand, wo man eine Einheitsfront von rechten und rechtsextremen Kräften anstrebt. Unterstützt wird das Anliegen von den Milliardären Vincent Bolloré und Pierre-Eduard Stérin, die sich bereits Mediengruppen zusammengekauft und eine Journalistenschule gegründet haben, um für ein rechtes Bündnis um den RN zu werben.
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