Star Wars in der Sahelzone

Wie Elon Musks Starlink die digitale Grenze in Afrika neu gestaltet

  • Jenny Ouédraogo
  • Lesedauer: 8 Min.
Auf einer Monitorwand werden Umlaufbahnen der Starlink-Satelliten des US-Raumfahrtunternehmen SpaceX angezeigt.
Auf einer Monitorwand werden Umlaufbahnen der Starlink-Satelliten des US-Raumfahrtunternehmen SpaceX angezeigt.

Eine neue digitale Grenze durchzieht den Sahel – jenen rund 6000 Kilometer langen Gürtel, der sich vom Atlantik bis zum Roten Meer quer über den afrikanischen Kontinent erstreckt. Weiße Starlink-Satellitenschüsseln sprießen aus Städten und Dörfern, selbst in abgelegenen Regionen; sie versprechen Konnektivität dort, wo digitale Infrastruktur bislang kaum existierte.

Angetrieben von der lokalen Nachfrage nach verlässlichem Internet – insbesondere in Gebieten, die vom Staat bislang nicht hinreichend versorgt wurden – verbreitete sich Starlink, der Satelliteninternet-Anbieter aus dem Hause SpaceX von Elon Musk, in rasantem Tempo. Die Einführung legte zugleich strukturelle Defizite in der Region offen, wo sich nationale Telekommunikationsanbieter auf veraltete Netze stützen, während Starlink schnelles Breitband mit globaler Reichweite bietet. Händler und Unternehmer brachten Starlink-Terminals über die Grenzen – über informelle Märkte, persönliche Transporte und Kleinschmuggel. Auf diese Weise dehnten informelle Netzwerke die Konnektivität in ländliche Gebiete aus; Städte, Dörfer und abgelegene Regionen wurden Teil einer Infrastruktur, die das Alltagsleben neu strukturiert. Schon bald waren Schulen, Kliniken, Unternehmen und sogar bewaffnete Gruppen an ein privates System angeschlossen, das kaum staatlicher Aufsicht unterliegt.

In Niger etwa war das Signal lange vor der offiziellen Genehmigung verfügbar; in Provinzverwaltungen und Schulen liefen Starlink-Terminals bereits Monate, bevor die Regierung 2024 die Nutzung formell zuließ. Mali genehmigte den Dienst zunächst, setzte ihn dann jedoch abrupt aus – unter Verweis auf regulatorische Unklarheiten. In Burkina Faso soll die Zulassung voraussichtlich bis Ende dieses Jahres erfolgen. In den meisten Fällen untersagten die Behörden Starlink nie ausdrücklich – das Fehlen klarer Vorgaben schuf auf diese Weise eine Grauzone, die Nichtregierungsorganisationen, Journalist*innen und Händler*innen für sich nutzten.

Tschad und Nigeria wählten den entgegengesetzten Weg: Sie lizenzierten Starlink offiziell und bewarben es als Instrument nationaler Vernetzung.

Das Ergebnis ist ein rechtliches Flickwerk in der gesamten Region – eine Zone digitaler Autonomie, in der die Grenzen zwischen Kommunikation, Konflikt und Kontrolle verschwimmen, irgendwo zwischen dem All und den Launen eines Multi-Milliardärs.

Das neue digitale Schlachtfeld

Die beständigste dschihadistische Organisation im Sahel, Jama’at Nusrat al-Islam wal-Muslimin (JNIM), ist vor allem in Mali, Burkina Faso und Niger aktiv. JNIM entstand 2017 als Ableger Al-Qaidas und nutzt seither durchlässige Grenzen, schwache staatliche Strukturen und lokale Konflikte, um ihre Basis zu verbreitern. Im vergangenen Jahr trat die Gruppe in eine Phase rascher Expansion ein, mit zeitgleichen Offensiven in Zentralmali, in der Dreiländerregion zwischen Tschad, Kamerun und Zentralafrikanischer Republik sowie an den Nordgrenzen Benins und Togos.

Kooperation mit der RLS

Die Rosa-Luxemburg-Stiftung unterhält mehr als zwei Dutzend Auslandsbüros auf allen Kontinenten. Im Rahmen eines Kooperationsprojektes mit »nd« gibt es an dieser Stelle regelmäßig Berichte über Entwicklungen in den verschiedensten Regionen. Alle Texte auf: dasnd.de/rls

Das Erstarken der JNIM lässt sich auf ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren zurückführen. Der Abzug internationaler Kräfte – darunter Frankreichs Operation Barkhane und die UN-Mission Minusma – hinterließ weite Räume, in denen der Staat nur noch auf dem Papier existiert. Dieses Machtvakuum nutzen bewaffnete Gruppen gezielt aus. Zugleich entwickelte sich JNIM schrittweise von reinen Guerilla-Angriffen hin zu Formen lokaler Verwaltung: Die Gruppe erhebt Steuern, kontrolliert Handelsrouten und schlichtet Konflikte. Diese Funktionen verschaffen ihr in manchen Regionen eine gewisse Legitimität. Wie die International Crisis Group festhielt, hat die Fähigkeit der JNIM, ihre Strukturen flexibel anzupassen und sich in lokale Gemeinschaften einzubetten, ihr Überleben gesichert.

Technologie hat die Widerstandsfähigkeit der Gruppe weiter gestärkt. Nach Einschätzung regionaler Analyst*innen setzt JNIM inzwischen handelsübliche Drohnen zur Überwachung ein und experimentiert mit improvisierten Sprengsätzen aus der Luft.

Besonders deutlich wird der Wandel in der Kommunikation. Die Befehlskette der Gruppe war bislang auf Kuriere, Funkgeräte und unzuverlässige Mobilfunkverbindungen angewiesen; entsprechend anfällig blieb ihre interne Koordination. Mit Starlink hat sich das nun grundlegend geändert: Das Satellitennetz bietet schnelle, erschwingliche und kaum überwachbare Internetverbindungen – und das in einer Qualität, die zuvor unvorstellbar schien.

Die Geräte werden häufig im Ausland erworben und anschließend im Inland über informelle Netzwerke weiterverkauft. Ein Bericht der Global Initiative Against Transnational Organized Crime vom Mai 2025 dokumentiert mehrere Beschlagnahmungen von Starlink-Terminals in den nigrischen JNIM-Hochburgen Tillabéri und Tahoua. Bereits im Juni 2024 hatte Le Monde in einem Propagandavideo der Gruppe ein Starlink-Terminal identifiziert. Seither haben nigrische Sicherheitskräfte bei Antiterror-Operationen weitere Geräte sichergestellt.

Da Starlinks Registrierungssystem keine regionalspezifische Identitätsprüfung vorsieht, können die Terminals weit entfernt vom Nutzerstandort betrieben werden. Dies schafft eine digitale Grauzone jenseits staatlicher Sichtbarkeit. Analyst*innen warnen, dass Satellitenverbindungen die logistischen und operativen Fähigkeiten nichtstaatlicher Akteure erheblich stärken. Diese Sorge teilen auch Geheimdienstvertreter*innen aus der Sahelregion, die betonen, dass Starlinks verschlüsseltes, latenzarmes Netzwerk die Fähigkeit des Staates untergräbt, die Kommunikation von Aufständischen zu überwachen.

Das Regulierungsdilemma

Die Starlink-Nutzung durch JNIM verweist auf ein tiefer liegendes Problem in der Region: Die Regierungen der Sahelstaaten haben kaum Möglichkeiten, die Netzwerke zu überwachen oder zu regulieren.

Die Starlink-Architektur verlagert die operative Kontrolle weit außerhalb lokaler Reichweite. Die Endgeräte müssen in den USA registriert sein; von dort aus werden sie ferngesteuert betrieben und die Firmware-Updates eingespielt. Letztendlich wird von hier aus auch das Netzwerk selbst kontrolliert. Lokale Lizenzen gewähren zwar eine rechtliche Betriebserlaubnis, aber keine tatsächliche Aufsicht. Nutzer*innen berichten, dass Terminals in vielen Ländern weiterhin aktiv sind, obwohl Starlink dort keine formelle Zulassung besitzt. Zwar verfügt SpaceX über die technische Möglichkeit, den Dienst zu deaktivieren, doch geschieht dies selten und ist kaum nachzuverfolgen. Damit liegen der Zugang und die damit verbundenen strategischen Implikationen weitgehend in der Hand des Anbieters, nicht der lokalen Behörden.

Die Struktur verleiht einem einzelnen Konzern – und damit letztendlich einer einzelnen Person – erheblichen Einfluss auf einen wachsenden Teil der Kommunikationsinfrastruktur der Region.

Die Staaten wissen weder, wer den Dienst nutzt, noch zu welchem Zeitpunkt oder zu welchem Zweck. Nichtstaatliche Akteure wie JNIM nutzen die verschlüsselte Verbindung, um Operationen zu koordinieren, Ressourcen zu bewegen und Kommunikation über Grenzen hinweg aufrechtzuerhalten. Ein staatlicher Zugriff auf diese Daten wäre nur mit technischer Kooperation von SpaceX möglich – eine Zusammenarbeit, die selbst im besten Fall hochspezialisierte Infrastruktur und Fachpersonal voraussetzen würde.

Doch selbst wenn ein solcher Zugriff gelänge, stellte sich ein zweites Dilemma: In Staaten, die von Militärregimen dominiert werden, könnte die Kontrolle über Starlink leicht zur Überwachung und Unterdrückung abweichender Stimmen missbraucht werden.

Das Ergebnis ist ein regulatorisches Patt. Die Konnektivität, die für Verwaltung, Bildung und Wirtschaft unverzichtbar ist, wird zugleich zum Kanal für Aufständische – und zum potenziellen Werkzeug autoritärer Kontrolle. Solange es keinen Governance-Rahmen gibt, der technische Aufsicht mit dem Schutz ziviler Freiheiten verbindet, bleibt Starlink eine Zone operativer Unklarheit.

Elon Musk: Herr über das Netz

Im Sahel wie anderswo operiert Starlink unter der Kontrolle eines einzigen privaten Unternehmens. Afrikanische Regierungen können zwar die Nutzung genehmigen, doch die Steuerung des Netzwerks erfolgt von außerhalb des Kontinents – zentrale Entscheidungen liegen weiterhin in den Händen Elon Musks. Diese Struktur verleiht einem einzelnen Konzern – und damit letztendlich einer einzelnen Person – erheblichen Einfluss auf einen wachsenden Teil der Kommunikationsinfrastruktur der Region.

Musks bisheriges Handeln zeigt, welche Risiken in einer solchen Machtkonzentration liegen. Als die ukrainischen Streitkräfte 2022 begannen, von Russland besetzte Gebiete zurückzuerobern, soll Musk Berichten zufolge angeordnet haben, den Starlink-Dienst in umkämpften Zonen wie Cherson abzuschalten. Rund hundert Terminals waren betroffen – Kommunikationsverbindungen für Drohnen, Artillerie und Truppen brachen zusammen. Der Vorfall verdeutlichte, dass die Abhängigkeit von Starlink einem privaten Unternehmen beispiellosen Einfluss auf militärische Operationen verschaffen kann. Die Nachrichtenagentur Reuters beschrieb dies damals als eine Situation, in der der Ausgang eines Krieges buchstäblich »in Musks Händen« liege.

Musks politische Selbstdarstellung verschärft die Risiken zusätzlich. Als prominenter Unterstützer von Donald Trumps Präsidentschaftskampagne 2024 hat er seine Plattform X (ehemals Twitter) wiederholt genutzt, um mediale und politische Debatten zu beeinflussen. Getrieben von libertären Impulsen, selektiven Loyalitäten und abrupten Kehrtwenden, ist Musk alles andere als die Art von Autorität, der man die Aufsicht über kritische Infrastruktur anvertrauen möchte. In der Sahelzone entsteht dadurch eine gefährliche Abhängigkeit: Das ukrainische Beispiel zeigt, dass einseitige Entscheidungen eines privaten Betreibers strategische Folgen von internationaler Tragweite haben können.

Starlinks Expansion in den Sahel ist daher weit mehr als technologische Modernisierung, wie Befürworter*innen gern behaupten. Tatsächlich handelt es sich um eine Verlagerung von Kontrolle – weg von öffentlichen Institutionen, hin zu privaten Interessen. Elon Musk präsentiert das als Innovation, doch in Wahrheit hängt die digitale Infrastruktur inzwischen von den Launen eines Einzelnen ab. Was als technische Meisterleistung begann, hat sich zu einem Instrument der Macht entwickelt, das den digitalen Raum der Kontrolle durch Regierungen und Gesellschaften entzieht. Und während die Technologie der Regulierung immer weiter enteilt, zahlen ausgerechnet jene, die am wenigsten geschützt sind, den höchsten Preis für die neue digitale Ordnung.

Jenny Ouédraogo ist Projektmanagerin im Westafrika-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Dakar, Senegal.

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