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  • Kampf gegen Doping

Antidoping unter erschwerten Bedingungen

Trotz eines neuen Kodex steht die Weltantidopingagentur weiter unter Druck

  • Tom Mustroph, Busan
  • Lesedauer: 5 Min.
Nach dem Dopingstreit um 23 chinesische Schwimmer muss die Wada aktuell ohne die Unterstützung der USA auskommen.
Nach dem Dopingstreit um 23 chinesische Schwimmer muss die Wada aktuell ohne die Unterstützung der USA auskommen.

Erfolge müssen gefeiert werden. Das gilt im Sport nicht nur für Athleten und Athletinnen, sondern auch für die Dopingjäger. Entsprechend ausgelassen zelebrierte die Weltantidopingagentur (Wada) auf ihrem nur alle sechs Jahre stattfindenden Kongress die Neufassung ihres Codes. Der unter enormen Anstrengungen erstellte Kodex soll zum 1. Januar 2027 in Kraft treten und beinhaltet einige bemerkenswerte Änderungen. Die Wichtigste betrifft die Bestrafung von Betreuungspersonal bei Dopingfällen.

»Bisher ist es so, dass wir Ärzte, Trainer, Agenten oder Funktionäre, die in Doping verwickelt sind, bestenfalls von den Spielen nach Hause schicken und von den nächsten Spielen ausschließen können. Aber wenn sie dann zu Hause sind, können sie ihre schändlichen Machenschaften einfach fortsetzen. Das ist nicht zu akzeptieren«, erklärte Kirsty Coventry, die neue Präsidentin des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), die bei der Wada-Konferenz in dieser Woche im südkoreanischen Busan ebenfalls präsent war, und lobte die neue Fassung. Diese sieht vor, dass auch gegen Betreuer sportrechtlich vorgegangen werden kann.

Der düstere Schatten der Enhanced Games

Wer Doping für Minderjährige organisiert, muss sogar mit verschärften Sanktionen rechnen. Erwischten Sportlern selbst wird ein neuer Weg zu Geständnissen eröffnet. Sagen sie zu eigenen Praktiken umfassend aus, kann ihre Strafe reduziert werden. Bislang galt das nur, wenn sie andere Personen belasten. Für die Strafverfolgung sei Insiderwissen darüber, wie etwa Kontrollen umgangen werden können, sehr hilfreich, konstatierte der Sportrechtler und Richter am Internationalen Sportgerichtshof Cas in Lausanne, Ulrich Haas.

Doch es gab in Busan auch viele Themen, die auf die Partystimmung drückten. Der Antidopinggemeinschaft setzt vor allem das Ungetüm der Enhanced Games zu. Diese sollen im Mai erstmals in den USA stattfinden, bieten Summen bis zu einer Million US-Dollar für neue Weltrekorde an und ermuntern Teilnehmer zum umfassenden Doping. Geldgeber sind unter anderem Tech-Milliardäre wie der zum Maga-Lager gehörende Peter Thiel.

»Aus unserer Sicht ist das eine sehr gefährliche Veranstaltung«, sagte Wada-Präsident Witold Banka. Auf Nachfragen von »nd«, welche Mittel die Wada und auch andere Vertreter des Olympischen Sports gegen diese Dopingfestspiele haben, meinte er: »Alle, die daran als Athleten teilnehmen, werden robust getestet. Wenn sich verbotene Substanzen in ihren Körpern befinden, werden sie sanktioniert.« Und dennoch seien die Enhanced Games für manche Sportler reizvoll, räumte Wada-Athletensprecher Ryan Pini ein: »Momentan handelt es sich vor allem um Athleten kurz vor dem Karriereende. Und das ist vielleicht das größte Problem. Leute, die am Ende ihrer Laufbahn nicht wissen, wie es weitergeht, und jetzt dieser Verlockung ausgesetzt sind«, warnte der frühere Schwimmer aus Papua-Neuguinea. Er hofft, vor allem mit Aufklärung Sportler von einer Teilnahme abhalten zu können.

Die USA stellen ihre Zahlungen ein

Noch härter trifft den Olympischen Sport, dass die USA zuletzt die Zahlungen an die Wada einstellten. Hintergrund ist der weiterhin ungeklärte Streit um die positiven Dopingtests von 23 chinesischen Schwimmern vor den Olympischen Spielen in Tokio 2021, die als Nahrungsmittelkontaminationen bewertet wurden, weswegen die Wada keine Sanktionen gegen die Athleten verhängte. Die US-Antidopingbehörde USADA bemängelt weiterhin, dass es keine unabhängigen Ermittlungen vor Ort gab.

Druck bekam die Weltantidopingagentur auch von einem ihrer wichtigsten Ex-Funktionäre. David Howman, 13 Jahre lang Generalsekretär der Wada, machte auf die weiterhin spektakuläre Erfolglosigkeit der organisierten Dopingjäger aufmerksam. Lediglich bei 0,8 Prozent der Tests wurden laut der letzten Statistik für das Jahr 2023 Sportler des Dopings überführt. »Wir sind nicht effektiv genug. Wir haben tolle Aufklärungsprogramme, aber die scheren die Betrüger im Elitesport kein bisschen. Wir müssen zu einem ambitionierteren und effektiveren System kommen«, meinte Howman und forderte mehr wissenschaftliche Expertise und zielgenaueres Testen.

Gendoping als neuer Trend

Die wissenschaftliche Seite immerhin sei recht gut aufgestellt, erklärte der Wada-Direktor für die Forschungsprogramme, Olivier Rabin, gegenüber »nd«: »Wir sehen den kommenden Trend des Gendopings, ein paar Produkte sind bereits auf dem Markt. Aber das Nachweisfenster ist im Vergleich zu anderen Substanzen größer und wir sind technologisch bereit für diese Herausforderung.« Komplexer sei die Lage dagegen bei den mittlerweile dutzenden, teils legal, teils illegal hergestellten Hormonpräparaten. »Viele kommen aus der Abnehmindustrie. Wir verfolgen das, auch die entsprechenden wissenschaftlichen Publikationen. Und wir haben die Tests«, meinte Rabin.

Die Crux besteht aber darin, ob sie auch eingesetzt werden. Jeder Test kostet zwischen 100 und 120 Euro und muss extra angefordert werden. Genau daran hapert es, war aus dem Lager der Laborvertreter zu hören. Ex-Wada-Generalsekretär Howman forderte die Antidopingagenturen und Sportverbände daher auch auf: »Es ist zu einfach, nur die Standardtests ohne Wahrscheinlichkeit zu beauftragen, um die erfahrenen Doper zu kriegen. Wir müssen die richtigen Tests zum richtigen Zeitpunkt bei den richtigen Athleten vornehmen.« Ergänzen müsste man noch: Und auch das entsprechende Geld dafür zur Verfügung stellen.

Es bleibt also noch einiges zu tun im Antidopinglager. Das nächste große Event steht mit den Olympischen Winterspielen in Mailand und Cortina d’Ampezzo im kommenden Februar bereits direkt vor der Tür.

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