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Die DHB-Frauen sind gegen Brasilien zum Siegen verdammt
Die deutschen Handballerinnen machen vieles gut und profitieren vom internationalen Leistungsgefälle
Nun gilt es. Dessen ist sich Xenia Smits völlig bewusst. Das Viertelfinale bei dieser Heim-Weltmeisterschaft an diesem Dienstag in Dortmund gegen Brasilien habe für die deutschen Handballerinnen »eine einzigartige Bedeutung«, betonte die mit 153 Länderspielen erfahrenste Akteurin vor dem Einstieg in die K.-o.-Runde: »Wenn wir verlieren, haben wir nicht mehr erreicht als in den letzten Jahren.«
Sechs Siege hat das Team des Deutschen Handballbundes (DHB) bislang bei diesem Turnier erspielt. Und auch wenn ihre Form beim 29:25-Sieg zum Abschluss der Hauptrunde gegen Spanien etwas nachließ, sprach Abwehrorganisatorin Aimée von Pereira von einem »magischen Flow«, der das Team von Bundestrainer Markus Gaugisch nun in das Halbfinale von Rotterdam führen soll. Dort, bei den niederländischen Ko-Organisatoren, wird das Championat am kommenden Wochenende abgeschlossen.
Brasilien versus Bollwerk
Alles andere als die erste deutsche Halbfinalteilnahme bei einem Großevent seit 2008 wäre eine herbe Enttäuschung. Zwar verfügt der Südamerika-Champion Brasilien über ein gutes Duo im Tor und mit Rückraumstar Bruna de Paula, die mit dem ungarischen Spitzenklub Győr zuletzt zweimal die Champions League gewinnen konnte, auch über eine überragende Individualistin. Doch dem Weltmeister von 2013 fehlt es an Tiefe im Kader, wie auch die klare 14:33-Niederlage gegen die Topfavoritinnen aus Norwegen am Sonntag zeigte.
Kaum vorstellbar, dass die brasilianischen Angreiferinnen es auf Dauer schaffen, die bisher so starke deutsche Defensive um WM-Debütantin von Pereira zu brechen. »Unser Innenblock ist schon eine Erscheinung«, lobt die frühere Nationalspielerin und jetzige DHB-Teammanagerin Anja Althaus: »Da steht ein Bollwerk, das beängstigend aussieht, mit Ausstrahlung und Emotion. Sie spielen mit einer absoluten Liebe für die Abwehr. Es ist unglaublich, wie sie arbeiten, welche Wege sie gehen; das ist Defensive auf absolutem Weltklasseniveau.«
Dass der Weg der DHB-Frauen ins Halbfinale wie gemalt wirkt, hat einerseits mit dem Tableau des Turniers zu tun, in dem die großen Favoriten aus Norwegen und Frankreich frühestens in Rotterdam auf das deutsche Team warten. Auf der anderen Seite ist das spielerische Niveau früherer Topnationen wie Spanien, Montenegro oder Schweden, das zum Abschluss Afrikameister Angola unterlag, so schlecht wie lange nicht mehr. Diese offensichtliche Tatsache sprach auch die frühere Nationaltorhüterin Dinah Eckerle an. Die deutschen Frauen machten zwar einen »Superjob, aber ich bin schockiert von dem, was viele andere Teams bisher so auf die Platte bringen«. Montenegro etwa, der Europameister von 2012, habe beim 18:36 im Hauptrundenspiel gegen Deutschland »bodenlos schlecht« agiert. Auch bei den Spanierinnen gebe es keinen vielversprechenden Nachwuchs.
Leistungsgefälle schafft Langeweile
Tatsächlich waren noch in der Hauptrunde teils erschreckende Leistungsunterschiede festzustellen. So gewann Norwegen, obwohl es mit der zurückgetretenen Regisseurin Stine Oftedal seinen größten Star verloren hat, allein die erste Halbzeit gegen Schweden mit 24:11. Etliche Kantersiege gab es auch in den anderen Hauptrundengruppen. Lediglich in Gruppe I gab es zwischen Japan und Ungarn ein spannendes Rennen um die Viertelfinalplätze, ansonsten herrschte pure Langeweile. Zu groß war das Leistungsgefälle.
Und so dürften wieder Frankreich, Dänemark und Norwegen die Medaillen unter sich ausmachen – wenn nicht doch die Ko-Gastgeberinnen aus den Niederlanden und Deutschland diese Phalanx überraschend durchbrechen. Jedenfalls bietet sich dem deutschen Team um Kapitänin Antje Döll in diesem Jahr die historische Chance, die lange Durststrecke seit dem letzten Medaillengewinn mit WM-Bronze 2007 zu beenden. Zumal es auch das Publikum von Dortmund im Rücken hat: Mehr als 8000 Tickets waren schon am Montag für die altehrwürdige Westfalenhalle verkauft.
Angesichts des Turnier-Tableaus und der schwächelnden Konkurrenz braucht Bundestrainer Markus Gaugisch auch eine Medaille, um diese Weltmeisterschaft als Erfolg verkaufen zu können.
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