Der Bin-Laden-Clan und die Bush-Family

Bestseller »Die verbotene Wahrheit« über die Verflechtung von Saudi- und USA-Konzernen vorgestellt

  • Jochen Reinert
  • Lesedauer: 4 Min.
»Dieses Buch wird Furore machen« notierte »Le Monde« über den Band »Die verbotene Wahrheit« der französischen Autoren Jean-Charles Brisard und Guillaume Dasquié. Hauptthema, so auch der Untertitel, sind »die Verstrickungen der USA mit Osama bin Laden«.
Die Voraussage von »Le Monde« hat sich innerhalb kürzester Zeit erfüllt, wussten der Verleger Dr. Ernst Pieper (Pendo-Verlag Zürich) und Autor Jean-Charles Brisard bei der gestrigen Vorstellung der deutschsprachigen Ausgabe in Berlin zu berichten. Das von ihnen als »hochbrisant« eingestufte Werk rückte umgehend an die Spitze der französischen Bestsellerliste, auch in der Schweiz hat es großen Erfolg - trotz oder gerade wegen der einstweiligen Verfügung gegen das Buch, die Yeslam bin Laden, ein voriges Jahr in der Schweiz eingebürgerter Halbbruder des obersten Bösen, erwirkt hat. Yeslam, der nunmehr zu den 300 reichsten Schweizern zählt, wird keine direkte Verbindung zu terroristischer Tätigkeit unterstellt, aber da doch einiges über ihn »vor seiner Haustür« ausgebreitet werde, wolle er die Verbreitung in der Schweiz einschränken, wähnt Pieper. Aber er ist sicher, dass Yeslam das auf Dauer nicht gelingt. In den USA allerdings habe sich noch kein Verlag getraut, die Buch-Rechte zu kaufen.
Das kann man sich schon nach einem Blick in das Inhaltsverzeichnis und die zahlreichen Grafiken über die Verflechtungen zwischen dem USA-Öl-Kapital, darunter der Familie Bush, und den saudischen Öl- und Finanzimperien, darunter die schwerreiche Familie bin Laden, lebhaft vorstellen. Brisard, so gab er in Berlin kund, hat diese Verflechtungen über 50 Jahre zurück verfolgt und fand auf diese Weise »die Logik heraus, die zu den Ereignissen vom 11. September führte«.
Der sehr zurückhaltend auftretende und irgendwie an Wladimir Putin erinnernde Finanzspezialist und Wirtschaftsberater, dem enge Verbindungen zum französischen Geheimdienst nachgesagt werden, hat offenbar auch diverse Kontakte zum FBI. Jedenfalls schildert er im Prolog eine aufschlussreiche Begegnung mit dem FBI-Mann ONeill, Ex-Koordinator für Terrorismus-Bekämpfung und zum Zeitpunkt des Gesprächs (im Juli vorigen Jahres) Nr.2 der New Yorker FBI. ONeill sei bei seinen Untersuchungen des Attentats auf den Zerstörer USS Cole im Hafen von Aden, bei dem am 12. Oktober 2000 17 USA-Soldaten starben, auch auf Seiten der USA auf merkwürdige Barrieren gestoßen. »Alle Antworten, alle Schlüssel zur Zerschlagung von Osama bin Ladens Organisation liegen in Saudi-Arabien«, fasste der FBI-Mann seine Erfahrungen zusammen. Am 11. September ist er im World Trade Center umgekommen...
Alle Antworten liegen in Saudi-Arabien - das ist offensichtlich auch Brisards Ansicht. Nach seinen Recherchen fließen rund 15 Prozent der saudischen Wirtschaftsleistung in die Finanzierung islamistischer Einrichtungen weltweit - darunter in das Al-Qaida-Netzwerk. Trotz gegenteiliger Behauptungen der Saudis sei Osama bin Laden kein Abtrünniger. In einem unveröffentlichten Interview für »France Soir« ließ er verlauten, dass »die Saudi-Araber (ihn) zu ihrem Vertreter in Afghanistan auserkoren« hätten.
Das Zeugnis ONeills, die von Brisard/ Dasquié aufgedeckte saudische Finanzierung von Al-Qaida-nahen Organisationen und die Tatsache, dass 12 der 19 Attentäter vom 11. September Saudis waren - warum findet sich dann nicht auch Saudi-Arabien auf der USA-Liste der »Schurkenstaaten«? Auf eine entsprechende Frage des ND sagte Brisard: »Da legen Sie den Finger zurecht in eine Wunde, das ist der Riss, der durch die gesamten Anti-Terror-Aktivitäten geht, das ist die Scheinheiligkeit, mit der wir in der Diskussion immer wieder konfrontiert werden.« Für die Zwiespältigkeit der USA nennt er als weiteres Beispiel, dass die USA die Konten einer Bank, die angeblich Terrorismus in Palästina unterstützt, einfroren, aber nicht diejenigen des Bankbesitzers, eines saudischen Prinzen...
Das Buch bietet zur Beantwortung jener Frage freilich noch mehr interessante Hintergründe. Bei der Durchleuchtung des Finanzimperiums des saudischen Bankiers Khalid bin Mahfouz (Kapitelüberschrift »Ein Vermögen im Dienste des Terrorismus«) stießen die beiden französischen Experten nicht nur auf Verflechtungen mit Osama bin Laden (überdies Mahfuz Schwager), sondern auch auf diverse Kontakte des Bin-Laden-Clans zur Bush-Familie. Über die bekannte direkte Kooperation des Bin-Laden-Baukonzerns mit den Bushs hinaus deckten sie zwei weitere Kontakte auf: An der von George W. Bush geleiteten texanischen Firma Harken Energy Corp. war Mahfouz zumindest indirekt beteiligt. Die Bin-Laden-Familie engagierte sich in der im Flugzeugbau tätigen Carlyle Group, bei deren Tochter Caterair der jetzige Präsident im Aufsichtsrat saß. Von einem Dementi der Bushs dazu ist Brisard nichts bekannt.
Der Bin-Laden-Konzern, so ließ Verleger Pieper wissen, baue derzeit auf den Ruinen einer geschliffenen osmanischen Festung nahe Mekka »eine Art wahhabitisches Disneyland« mit einem großen Hotelkomplex, der von Zwillingstürmen gekrönt werden soll: »Kaum zu überbietender Zynismus«.

Jean-Charles Brisard, Guillaume Dasquié, Die verbotene Wahrheit, Pendo Verlag Zürich München 2002, 288 S., geb., 18,90 Euro. Die französische Ausgabe »La vérié interdite« hat Prof. Christian Sigrist im ND vom 12. Januar rezensiert.

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