Endlich Licht am Ende des Biowaffen-Tunnels?

Mitgliedstaaten beraten in Genf über Verbotskonvention

  • Wolfgang Kötter
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Konferenzsaal XVIII des Genfer Palastes der Nationen treffen sich ab heute die 159 Mitgliedstaaten der Konvention über das Verbot Biologischer Waffen.

Nahezu sieben dunkle Jahre liegen hinter der Biowaffen-Konvention. Seit dem Inkrafttreten 1975 galt das Abkommen jahrzehntelang als Musterbeispiel multilateraler präventiver Abrüstung, denn es ächtet eine ganze Art von Massenvernichtungswaffen, noch bevor sie in die Arsenale aufgenommen und in kriegerischen Auseinandersetzungen angewendet wurden. Doch dann zogen finstere Wolken auf: Die Militärs, denen der B-Waffen-Einsatz einst zu riskant erschienen war, finden sie heute Dank der Biowissenschaften, insbesondere der Genetik und der synthetischen Biologie, wieder attraktiv. Inzwischen ist es möglich, Krankheitserreger als künstliche Designerwaffen zu entwickeln, während die eigenen Truppen mit Impfstoffen immunisiert werden. Auch die lange als Fantasievorstellung abgetanen »Ethnowaffen«, die sich nur gegen bestimmte Gruppen richten, scheinen nun herstellbar.

Die Folgen einer biologischen Kriegsführung und des »genetic engineering« zur Erzeugung von Seuchen oder der Zerstörung genetischer Schutzmechanismen wären verheerend. Darum entschlossen sich die Vertragsstaaten, dem Abkommen ein wirksames Kontrollinstrument beizufügen. Mehr als neun Jahre wurde verhandelt, bis im Sommer 2001 endlich ein Ergebnis vorlag. Doch um niemandem Zugang zu den eigenen, teilweise verbotenen Biowaffenprogrammen zu gewähren, lehnten die USA das Zusatzprotokoll ab. Das stürzte das Abkommen in eine tiefe Krise, denn wenn illegale Aktivitäten unentdeckt und straffrei bleiben, wird das Verbot zur Farce. Immerhin gibt es seit der Überprüfungskonferenz im Vorjahr wieder etwas Bewegung.

Das vereinbarte Schlussdokument sieht künftig eine intensivere wissenschaftliche Kooperation, vertrauensbildende Maßnahmen und einen erweiterten Technologietransfer vor. Auch die thematischen Jahreskonferenzen werden fortgesetzt. Als wichtigstes Ergebnis werten Teilnehmer, dass mit der Schaffung einer Unterstützungseinheit für die Vertragsumsetzung ein erster Schritt hin zu einer permanenten Betreuungsinstitution für die Konvention erreicht wurde. Inzwischen haben der Australier Richard Lennane und seine beiden Mitarbeiter ihre Arbeit im Genfer UN-Abrüstungsbüro aufgenommen. Das Mini-Sekretariat wird die Konferenzen und den Informationsaustausch im Rahmen der Konvention unterstützen, für den Beitritt weiterer Staaten werben und mithelfen, die beschlossenen vertrauensbildenden Maßnahmen umzusetzen. Diese verpflichten die Staaten, jährlich über Hochsicherheitslabors, die Bioabwehrforschung und Ausbrüche von Infektionskrankheiten zu berichten. Zudem sollen Daten zu wissenschaftlichen Publikationen, der Förderung von Kontakten, nationalen Gesetze und Vorschriften sowie zu Impfstoffproduktionsanlagen ausgetauscht werden.

Also das berühmte Licht am Ende des Tunnels? Konferenzpräsident Masood Khan aus Pakistan jedenfalls zeigt sich optimistisch. Dennoch sind Zweifel berechtigt, denn durch die verlorenen Jahre tauchen neue Bedrohungen am Horizont auf. Auch kriminelle und terroristische Gruppen haben inzwischen Interesse an Krankheitserregern als Waffe gefunden. Das Risiko des Bioterrorismus gehört nach Expertenmeinung zu den am meisten unterschätzten Gefahren, und ein wirksamer Schutz vor biologischen Kampfstoffen ist dringender denn je. Zudem schwächt die erlaubte »Defensivforschung« – etwa die Herstellung von Impfstoffen und Immunisierungsmitteln – das Verbot ebenfalls, weil diese in der Realität nur schwer von offensiven Aktivitäten zu unterscheiden sind. Mit dem Argument, man müsse sich gegen mögliche Angriffe mit Biowaffen durch Terroristen oder »Schurkenstaaten« schützen, begründen denn auch Regierungen ihre militärische Bioforschung, die durch Unfälle, Havarien oder unzureichende Sicherheitsvorkehrungen selbst zu einem erheblichen Sicherheitsrisiko wird.

Hinzu kommen Bestrebungen, biologische Materialien als so genannte nicht-tödliche Waffen zu verwenden. Derartige Agenzien – wie Pilze gegen Drogenpflanzen und Material zerstörende Organismen – werden zurzeit intensiv entwickelt. Dazu gehören z.B. Mikroben, die radarabweisende und Tarnlackierungen auf Fahrzeugen, Panzern und den Schutzanstrich von Flugzeugen angreifen.

Die heutige globalisierte Welt ist durch ihre umfassenden Kommunikations-, Transport- und Reiseverbindungen äußerst pandemieanfällig. Massenerkrankungen, Seuchen und Epidemien können sich rasend schnell bis in jeden Winkel der Erde ausbreiten. Auch Europa muss sich nach Auffassung der EU-Kommission gegen das Risiko bioterroristischer Anschläge wappnen. Die Brüsseler Behörde regt deshalb eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Sicherheitsbehörden, Forschung und Industrie an. Seit dem Sommer arbeitet das computergestützte Informationssystem »MediSys« (Medical Intelligence System), das nahezu zeitgleich Daten über den Ausbruch von Erkrankungen, Bioterroranschläge und Industrieunfälle liefert.

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