Sparsam ausgeloteter Tanz

Im Tacheles parkt Régine Chopinot Bewegung in der »Garage«

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 2 Min.

Seit drei Jahrzehnten gehört sie zu Frankreichs wichtigen Choreografinnen im zeitgenössischen Tanz. Die Mittfünfzigerin half mit, ihn zu entwickeln. Seit 1986 leitet sie mit dem Centre Chorégraphique National in La Rochelle das größte Forschungslabor eines dem modernen Tanz zugeneigten Landes. Nun gehört Régine Chopinot zu den konsequenten Verweigerern eines ihrer Meinung nach zu kommerziellen Tanzes. Nicht nur das Labor verlässt sie bald, auch in ihren Kreationen geht sie neue, Bewegung radikal reduzierende Wege.

Im Tacheles stellt sie vor, was sie darunter versteht und was bislang, außer in französischen Spielstätten, auch in Nicaragua und Brasilien gezeigt wurde. »Garage« nennt sie ein Tanzsolo, das an jenen Ort erinnert, in dem man vorübergehend parkt, was eigentlich für andere Zwecke gedacht ist. Im Fall Chopinot sind das Bewegungsfragmente, die möglicherweise einer späteren Nutzung harren.

Am Anfang umläuft die Tänzerin barfuß in schwarzen Jeans, die leere, lediglich durch eine tief hängende Stange begrenzte Szene. Melancholisch klimpernd setzt Gianni-Grégory Fornet seine E-Gitarre in Gang, die nichts Tanzbares produziert, sich zu lauten wie groben Akkorden steigern wird. Drei von Maryse Gautier installierte rechteckige Scheinwerfer hüllen den Raum in ein oszillierendes Halbdunkel.

Chopinot bestaunt den Bühnenraum, verdreht plastisch den Körper, zelebriert Gewichtsverlagerung, Balance. Dann wartet sie auf die nächsten Bewegungseinfälle. Sparsam entquellen sie ihrer Fantasie, fast zögernd entledigt sie sich ihrer in den Raum hinein. Nur die unbekleideten Extremitäten leuchten bisweilen im Dunkel auf, wenn sie wie leblos in der Schwebe liegt. Immer mehr wird sie Teil der Finsternis, bis Fornet sein Spiel stoppt. Chopinot entweicht in den unausgeleuchteten Hintergrund, tanzt dort mehr ahn- als sichtbar, lehnt sich mehrfach dem Musiker an, streckt sich wohlig unter dem Lärmdom auf den Boden.

Je mehr das Gedröhn den Raum ausspannt, das Licht aufglüht, desto weniger Platz scheint für den Tanz zu sein. Verloren irrt die Solistin umher, erstarrt, geht abrupt ab. Der Musiker folgt ihr. Weg, Umweg hin zu neuen Erkenntnissen oder Irrweg – Chopinots Zukunft wird es zeigen.

12.-16., 19.-21.12., 20 Uhr, Tacheles, Oranienburger Str. 54-56, Mitte, Karten unter Tel.: 28 09 61 23

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