Lektion Bahnstreik

  • Werner Sauerborn
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Arbeitskämpfe der Lokführer im zu Ende gehenden Jahr sind ein gewerkschaftspolitisches Lehrstück, in dem fast alles vorkommt, was den Gewerkschaften gerade zu schaffen macht. Wenn am Ende nicht nur für die LokführerInnen etwas herauskommt, dann letztlich aufgrund der Streiks der GDL, vor allem ihrer glaubhaften Drohung, diese auch unbefristet fortsetzen zu können. Wer angesichts dessen, wie Transnet, meint, verhandeln sei besser als streiken, schmückt sich nicht nur mit fremden Federn, sondern stellt den alten gewerkschaftlichen Grundsatz auf den Kopf, dass am Verhandlungstisch nur ernst genommen wird, wer bei der Streikfähigkeit etwas auf die Waage bringt.

Dass auf einmal kleine berufsständische, oft konservative Verbände wie die GDL als kämpferische Gewerkschaften auftrumpfen und große DGB-Gewerkschaften wie hier die Transnet als Papiertiger dastehen, irritiert auf den ersten Blick. Auf den zweiten hängt es miteinander zusammen. Wenn in Zeiten der Globalisierung neue Märkte entstehen, wenn es private und staatliche Verkehrsträger auf längst europäischen Verkehrsmärkten gibt, dann müssen die Gewerkschaften alles daran setzen, die Lohnabhängigen in diesen neuen Wettbewerbsstrukturen zu organisieren, um zu verhindern, dass sie gegeneinander ausspielbar werden. Das wäre das Prinzip Einheitsgewerkschaft! Das Gegenteil macht Transnet, wie manche DGB-Gewerkschaft in ihrem Kontext auch: Man spielt den Co-Manager mit Mehdorn im Führerstand, beteiligt sich an Stellenabbau, Arbeitszeitverlängerungen und – absoluter gewerkschaftlicher Sündenfall – an den Privatisierunsgplänen des Arbeitgebers. Alles um Wettbewerbsvorteile gegenüber Konkurrenten, letztlich zu Lasten deren Beschäftigter, zu erzielen. Wer da noch was in der Hinterhand hat wie die GDL, ist fast gezwungen, sich von diesem Kurs abzusetzen und sich zu radikalisieren.

Um in der neuen globalen Ökonomie wieder eine starke Rolle spielen zu können, müssen die Gewerkschaften zum Prinzip der Einheitsgewerkschaft zurückfinden, d.h. alles Trennende, Religiöse, (Partei)politische, Weltanschauliche, Staatliche – oder auch berufsständische Grenzen – überwinden. Ob die alten Gewerkschaftsmatadore das noch hinbekommen? Vielleicht sollten sich die Jüngeren bei Transnet, GDBA und GDL am besten mit ihren ausländischen KollegInnen im neuen Jahr zusammensetzen und überlegen, wie ihre Gewerkschaft der Zukunft aussehen soll.

Der Autor ist Gewerkschaftssekretär bei ver.di Baden-Württemberg. Er vertritt hier jedoch seine persönliche Meinung und nicht die von ver.di.

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