Massenklage gegen Datensammler

Verfassungsbeschwerde wegen Speicherung von Verbindungsinformationen

  • Lesedauer: 2 Min.
Mit der größten Verfassungsbeschwerde in der bundesdeutschen Geschichte wollen rund 30 000 Bürger das neue Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung zu Fall bringen. Die Klage wurde zu Wochenbeginn beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.

Berlin (Agenturen/ND). Mit dem seit dem Jahreswechsel geltenden Gesetz zur massenhaften Speicherung von Telefon- und Internetdaten muss sich nun das oberste deutsche Gericht befassen. Eine entsprechende Klage wurde zu Wochenbeginn wie angekündigt von insgesamt acht Beschwerdeführern beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht.

Der Berliner Rechtsanwalt Meinhard Starostik äußerte sich zuversichtlich, dass die Beschwerde Erfolg haben wird. »Die verdachtslose Überwachung, so wie sie der Gesetzgeber nun vorsieht, muss das Bundesverfassungsgericht eigentlich ablehnen.« Die Kritiker beantragten zugleich, die Datensammlung durch eine einstweilige Anordnung sofort auszusetzen. Einen Zeitpunkt für eine Entscheidung gibt es nach Angaben einer Gerichtssprecherin aber noch nicht. Für die Beschwerde hat der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung Vollmachten von rund 30 000 Bürgern gesammelt.

Das Gesetz zur Überwachung der Telekommunikation und der Speicherung von Daten auf Vorrat war im November von der Großen Koalition verabschiedet worden. Danach müssen alle Verbindungen über Festnetz, Handy oder E-Mail nun über einen Zeitraum von sechs Monaten gespeichert werden. Begründet wird die Neuregelung mit der Sorge vor neuen Terroranschlägen. Die Bundesregierung setzt damit eine Richtlinie der Europäischen Union (EU) um.

Der Arbeitskreis sieht darin jedoch eine »Totalprotokollierung der Telekommunikation«, für die 80 Millionen Bundesbürger grundlos wie potenzielle Straftäter behandelt würden. Das Gesetz gehe viel weiter als die EU-Richtlinie. Falls sich Karlsruhe wegen der »europäischen Dimension« für unzuständig erklärt, wollen die Gegner den Europäischen Gerichtshof anrufen.

Die Beschwerde wird von der Opposition im Bundestag unterstützt. Grünen-Chefin Claudia Roth erklärte: »Der Raubbau an unserem Rechtsstaat durch Schäuble, Zypries und Co. muss verhindert, die Bürgerrechte müssen unter den Bedingungen des digitalen Zeitalters gestärkt werden.« Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle sagte: »Der Terror bleibt eine reale Bedrohung. Aber unsere freiheitliche Wertordnung können wir nicht dadurch verteidigen, indem wir sie aufgeben.« Baden-Württembergs Justizminister Ulrich Goll (FDP) sprach von einer »schleichenden Entwicklung hin zu einem Überwachungsstaat«.

Die stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Petra Pau, warnte: »Auf dem Spiel stehen verbriefte Bürgerrechte und mit ihnen der demokratische Rechtsstaat.« Zugleich sprach die Politikerin von einem Novum in der bundesdeutschen Geschichte: »So viel ich weiß, haben noch nie zwei Vizepräsidenten des Bundestages gleichzeitig gegen ein Gesetz des Bundestages vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt«, so Pau. Neben ihr habe auch der FDP-Politiker Hermann Otto Solms angekündigt, Verfassungsbeschwerde gegen das Vorratsdatengesetz einzulegen.

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