Krause Zwieback hat sein spezielles Rezept

»Praxis am Ende des Brückenbogens« wird im Engelbrot & Spiele eröffnet

  • Tom Mustroph
  • Lesedauer: 2 Min.

Jede Zeit gebiert den ihr würdigen Diagnostiker. Die Gegenwart hat offensichtlich Wolfgang Krause Zwieback verdient. Der sächsische Wort- und Gedankenakrobat eröffnet gerade im Engelbrot & Spiele (ehemals Hansa-Theater) seine »Praxis am Ende des Brückenbogens«.

Natürlich fungiert der multitalentierte Performer als Arzt. Sein Patient, Daniel Grashopper, ist ein blond perücktes, weitgehend liegendes Etwas, das sich durch gigantische Hebungen und Senkungen des Brustkorbs auszeichnet und gelegentlich ein Keuchen von sich hören lässt. Angetan mit weißem Kittel, um den Kopf ein Leopardenimitat, statt Stethoskop ein Mikro am Revers kümmert sich Dr. Alfons Alfons jedoch recht wenig um diesen konkreten Patienten. Allerhöchstens nimmt er dessen Anwesenheit zum Anlass, neodadaistische Sprachkaskaden über die Krankheit der Gesellschaft loszuschicken. In seinem nasalen, leicht arrogant wirkenden Hochsächsisch palavert der Arzt von »Kinderkrankeinheiten«. Er sinniert über Trennungsschmerz und die Unfähigkeit, sich an das zu Trennende wieder zu erinnern.

Mit Krause Zwieback feiern lakonische Wort- und Sinnverdrehungen á la Morgenstern und Ringelnatz fröhliche Urständ’. Von der Aufforderung, doch abzulegen, kommt er zu der Frage, was denn fehle, um dann zu konstatieren: das sei dann wohl das Abgelegte. Von »frischer« Luft wechselt er prompt auf »Frösche« – das Getier taucht im Verlauf der Behandlung noch mehrfach auf.

Ähnlich wild, wie er mit Sprache umgeht, führt er ein digitales Zeichenwerkzeug. Auf den Computerschirm, dessen Inhalt an die wunderbar vernarbte Brandmauer in der Bühnentiefe projiziert wird, wirft er krakelige Bilder von kranken Kapitänen, untergehenden Schiffen, ablegenden Gewässern sowie Lurchen. Jedes Krakelbild geht in ein neues über, auf rote Beulen werden gelber Senf und orange Apfelsinenschale gesetzt, darauf dann schwarze Klappen. Die Logik reicht immer nur von einem Element zum nächsten. Der Sinn mäandert – und erzielt so manchen Lacherfolg. Der Erkenntnisgewinn insgesamt ist dennoch mäßig.

Dr. Alfons Alfons ist eine skurrile Mischung aus verrücktem, universal-begabtem Wissenschaftler und mittelalterlichem Bader, der seine beschränkte Rezeptur immer neu mixt und auf alle denkbaren Fälle anzuwenden pflegt.

Amüsement über den mit diesem reduzierten Zubehör erzeugten Wortwitz und Ermüdung ob der monotonen Methoden liegen in beständigem Widerstreit – und es liegt ganz sicher an der Verfassung des Betrachters bereits vor der Vorstellung, welcher Seite er nach deren Ende zuneigt. Schräge Kunst für Sprachliebhaber mit Nehmerqualitäten.

19., 20. 1., Engelbrot & Spiele, Alt-Moabit 48, Tel.: 39 74 31 02, Karten: 15 €, ermäßigt 9 €Euro, Gruppen ab 10 Personen 7 Euro, Besucher ohne Einkommen 5 Euro

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