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Pakistans Provinzen stehen vor politischem Wandel

Niederlagen für islamische Parteien / Absage an Extremismus

  • Hilmar König, Delhi
  • Lesedauer: 3 Min.
Angesichts des Sieges der beiden großen Oppositionsparteien bei den Wahlen zum Nationalparlament Pakistans geriet das Ergebnis des gleichzeitig durchgeführten Votums zu den vier Provinzversammlungen in den Hintergrund. Bemerkenswert dabei aber war, dass die islamischen Parteien dort eine deftige Niederlage hinnehmen mussten.

Das Wahlresultat in der pakistanischen Nordwest-Grenzprovinz sei eine »Botschaft an die Welt, dass nicht alle Paschtunen Extremisten oder Militante sind«. Das erklärte Asfandyar Wali Khan, der Führer der Awami National Party (ANP), die in dieser an Afghanistan grenzenden Provinz mit 31 gewonnenen Sitzen die stärkste im Provinzparlament vertretene Partei sein wird. Wahrscheinlich wird die ANP mit der ebenfalls erfolgreichen Pakistanischen Volkspartei (PPP), die 17 Mandate erhielt, die neue regionale Regierung bilden. Unabhängige Kandidaten erhielten zehn Sitze, während die islamische Parteienkoalition Muttahida Majlis-e-Amal, die zuvor die Regierung stellte und sich nicht geschlossen am Votum beteiligte, nur auf neun Abgeordnetensitze kam. Im Nationalparlament, wo sie rund 60 Sitze innehatte, kam die Muttahida Majlis-e-Amal diesmal gar nur auf drei Mandate. Die Absage an einen religiösen Extremismus konnte klarer kaum ausfallen.

Asfandyar Wali Khan, der Enkel von Khan Abdul Ghaffar Khan, dem legendären Freiheitskämpfer »Grenz-Gandhi«, betonte im Fernsehen, seine Partei verfolge säkulare und progressive Ziele und setze sich für ein Ende der Militäroperationen in der Provinz ein. Es müsse eine Verhandlungslösung gefunden werden. In der Grenzregion tobt seit dem 11. September 2001 ein erbitterter Krieg zwischen paschtunischen Stammesmilizen, die mit den Taliban und Al Qaida kollaborieren, und den pakistanischen Streitkräften. Zugleich leidet der Nordwesten besonders stark unter Anschlägen von Selbstmordattentätern. Wali Khan glaubt, die Paschtunen hätten so gewählt, weil sie den »Eindruck auslöschen wollen, dass jeder Paschtune ein Fundamentalist, Extremist, Militanter oder Terrorist ist«. Wer mit in die Koalitionsregierung wolle, müsse drei Grundforderungen akzeptieren, sagte er: ein Ende der Militäroperationen in der Provinz, eine wirkliche Machtteilung und die Umbenennung der Provinz in »Pakhtunkhwa«. ANP-Provinzchef Afrasiab Khattak äußerte, paschtunische Militanz wurzele nicht in der Provinz, sondern in der Politik der Regierung. Er wies Befürchtungen, die Paschtunen verfolgten eine Agenda des Separatismus, als »Phobie aus der Ära des Kalten Kriegs« zurück.

Im Punjab, der am dichtesten bevölkerten Provinz, gewann die Pakistanische Muslimliga von Nawaz Sharif 102, die PPP 78 und die bisher regierende Pakistanische Muslimliga (Q) 66 Sitze. Hier wird es, wie auf nationaler Ebene, wo PPP und PML (N) zusammen rund 60 Prozent der Sitze im Zentralparlament einnehmen, zu einer Koalition dieser beiden Parteien kommen.

In der Provinz Sindh tritt die PPP nach ihrem Sieg – 68 von 130 Mandaten – eine Alleinherrschaft an. Dort errang die Muttahida-Qaumi-Bewegung, eine Partei der einstigen indischen Immigranten, 38 Mandate.

In der Provinz Belutschistan hatten nationalistische Parteien die Abstimmung boykottiert. Hier gewann die PML (Q) 17, die PPP sieben Sitze, unabhängige Kandidaten kamen auf acht Mandate. Das macht eine Koalitionsregierung – ohne Beteiligung islamischer Parteien – erforderlich. Auch die Ergebnisse in den Provinzen reflektieren somit den unmissverständlichen Wunsch der Pakistaner nach einem politischen Wandel.

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