»Leute lassen sich nicht kirre machen«

Die Hamburger LINKE im Straßenwahlkampf: Kommunisten-Alarm zeigt keine Wirkung

  • Susann Witt-Stahl
  • Lesedauer: 3 Min.
Vor der Wahl zur Hamburger Bürgerschaft am Wochenende sucht die LINKE das Gespräch mit den Bürgern auf der Straße. Neben vereinzelter Kritik erlebt die Partei dort überwiegend Zuspruch und Anerkennung – nicht nur bei Hartz-IV-Empfängern und Rentnern.
Wahlkampfstand der Hamburger Linkspartei mit Spitzenkandidatin Heyenn
Wahlkampfstand der Hamburger Linkspartei mit Spitzenkandidatin Heyenn

Parteien-Jahrmarkt im Quarree Wandsbek, einem großen Einkaufszentrum im Osten der Hansestadt: Während Ole von Beust wie gewohnt den Hamburger der Herzen spielt und im Triumphmarsch mit einer Traube von Anhängern am mäßig besuchten SPD-Stand vorbeizieht, versucht die LINKE-Spitzenkandidatin Dora Heyenn nebenan, mit Wählern ins Gespräch zu kommen.

Gar nicht so leicht für sie, gegen den Lärm, der aus den CDU-Lautsprechern quillt, anzukommen. Es sind nur vereinzelte Wortfetzen wie »Schlafverein« zu verstehen. Wie sich bald herausstellt, ärgert sich der Mann, der gerade heftig auf Heyenn einredet, nicht etwa über die LINKE, sondern über den Opportunismus der SPD und der Gewerkschaft ver.di gegenüber den Arbeitgebern.

»In armen Stadtteilen wie Dulsberg wurden über Nacht sämtliche Wahlplakate abgeräumt, bloß die von der Linkspartei nicht«, sagt ein anderer Passant etwas schadenfroh. Viele Menschen machen an dem Stand der LINKEN ihrer Wut und Enttäuschung Luft: »Die meisten sagen, dass sich unbedingt etwas ändern muss«, berichtet Inge Asimiadis, Vorstandsmitglied der Linkspartei in Wandsbek, während sie Glückskekse verteilt. »Wir bekommen enorm viel Zuspruch, bei Weitem nicht nur von Rentnern und Hartz-IV-Betroffenen, denen der Sozialabbau besonders zu schaffen macht«, sagt Asimiadis, die bereits mehr als 40 Wahlkampfeinsätze auf dem Buckel hat und »unsere gute Seele ist«, wie ihr Genosse Jens Ruge betont. »Die Leute können die wachsende Ungerechtigkeit in unserer Gesellschaft nicht mehr ertragen«, so der gebürtige Chemnitzer, der seit sechs Jahren in Hamburg lebt. »Hartz-IV-Empfänger werden schon bei geringsten Verstößen sanktioniert, während die Zumwinkels mehr oder weniger ungehindert schalten und walten.«

Dass Ole von Beust Hamburg mit der Arroganz der Macht regiere, indem er Volksentscheide ignoriere und sich lieber um Prestigeobjekte wie die Elbphilharmonie kümmere als um die existenziellen Nöte der Bürger, sei ein zusätzlicher Wutfaktor, ergänzt der Spitzenkandidat auf der Liste des Bezirks Wandsbek, Dieter von Kroge. Das Parteivorstandsmitglied Christine Buchholz ist extra für zehn Tage aus Berlin angereist, um »Feuerwehr« zu spielen, wie sie sagt. »Die Leute lassen sich nicht kirre machen«, freut sich Buchholz, dass der von der Medienmaschine gemeldete Kommunisten-Alarm nicht die gewünschten LINKEN-Phobien in der Bevölkerung ausgelöst hat. Vereinzelt kämen böse Sprüche, wie »linke Socke«, berichtet Dora Heyenn. Und ehemalige Opfer von Stasi-Willkür seien freilich »emotional blockiert«, so die LINKE-Spitzenkandidatin. »Wer in der DDR aus politischen Gründen im Gefängnis gesessen hat, will verständlicherweise von uns wissen, wie groß der Einfluss ehemaliger SEDler heute noch ist.«

Wähler René Born hingegen macht mehr die politische Gegenwart zu schaffen. Der 30-jährige Beamte hat sich bereits entschieden, wo er am Sonntag seine Kreuze machen will: »Wir brauchen dringend eine demokratische Partei links von SPD und Grünen, die wirklich etwas gegen die große Kluft zwischen Arm und Reich unternimmt.«

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