»Wir werden unsere Pflicht tun«

Die SPD schickt sich in ihr Schicksal, im allerhöchsten Notfall die Stimmen der LINKEN hinzunehmen

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 4 Min.
Während in Hamburg Schwarz-Grün die Gedankenspiele der Parteistrategen dominiert, steht die SPD etwas linkisch abseits und grübelt über die eigenen Versäumnisse. Worauf sie dabei kommt, ist keine gedankliche Meisterleistung, sondern es liegt schon eine Weile auf der Hand: Allein mit den Grünen ist für sie kein Blumentopf mehr zu gewinnen.

Der Wahltag in Hamburg war in der Öffentlichkeit bereits als letzter Tag der Schonung für Kurt Beck behandelt worden. Danach werde Tacheles geredet, hieß es, der SPD-Chef werde sich harte Vorwürfe der Parteispitze anhören müssen. In Medienberichten hatten Spitzenleute wie Parteivize Peer Steinbrück und Fraktionschef Peter Struck Kritik an Beck geäußert, weil der in kleinem Kreis Gedankenspiele über eine Wahl der hessischen SPD-Anwärterin auf das Ministerpräsidentenamt, Andrea Ypsilanti, mit Hilfe der LINKEN geäußert hatte. Der Vorwurf des Wortbruchs und des Wählerbetrugs machte danach die Runde – von Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag erneut wiederholt.

Beck war zuletzt auch das Wahlergebnis der SPD in Hamburg am Sonntag angelastet worden, das nicht die erwartete Höhe erreichte. Mit seinen Äußerungen habe er die Wähler vergrault, lautete der recht unverblümt geäußerte Vorwurf. Ob Kurt Beck nun kurioserweise gerade durch sein halbherziges Einlenken gegenüber der LINKEN dieser zuletzt noch potenzielle Wähler entzogen hat, ist eine müßige Spekulation, auch wenn Parteienforscher wie Karl-Rudolf Korte diese These vertreten. In jedem Fall schien Beck angeschlagen, und am Sonntag übernahm er in einer Telefonkonferenz bereits die Verantwortung für »mögliche Irritationen« durch seine Äußerungen. Von einem nun anstehenden Richtungsstreit in der SPD war schon die Rede, und die Tatsache, dass Beck sich am Montag nach einer tagelang sichtbaren Grippe trotz Gremiensitzungen krank meldete, schien seine geschwächte Position noch zu unterstreichen.

Nun ist es anders gekommen. Vor der Krankmeldung habe Beck den neuen Kurs mit der engsten SPD-Führung abgestimmt, hieß es am Montag. Versteckt in einem selbstgerechten und verschwiemelten Text: Der hessischen Landesführung wird überlassen, ob Ypsilanti sich von der LINKEN wählen lässt. Wörtlich: »Sollte es nicht zu einer Koalition kommen, wird die SPD-Hessen entscheiden, ob und gegebenenfalls wann sich Andrea Ypsilanti im Landtag zur Wahl stellt.«

Damit hat die SPD einen verschämten Kurswechsel vollzogen. Und Generalsekretär Hubertus Heil kam die undankbare Aufgabe zu, dies vor der Presse in Berlin zu erklären. Allein, ohne den erkrankten Beck und ohne die Hilfe der nun offenbar bekehrten Beck-Kritiker aus der Parteispitze. Heil konnte noch so oft wiederholen, dass heute nur die »guten Sitten« der SPD bekräftigt worden seien, dass die Parteiführung nicht in Wahlentscheidungen der Landesverbände hineinregiert. Dass die Wahl Ypsilantis durch die LINKE nur im letzten Fall und nach Scheitern aller anderen Versuche, erst wenn »Stillstand und Blockade herrschen«, erfolgen solle. Es gilt nicht mehr das Wort von Kurt Beck, dass es eine Zusammenarbeit im Westen mit der LINKEN nicht geben werde, in welcher Form auch immer. Jetzt gilt das Wort von Kurt Beck, »wenn es nicht anders geht, dann machen wir es eben so«.

Die LINKE beginnt sich als feste Größe in den Planspielen des Willy-Brandt-Hauses festzusetzen. Auch wenn die Erkenntnis langsam reift. In Hessen habe sich ein »merkwürdiges Parteienspektrum« im Landtag gebildet, mit dem die SPD nun umgehen müsse, formulierte Heil. Auch der Beschluss vom Montag enthält eine erneute Unvereinbarkeitserklärung der SPD. Die LINKE im Bund weise »in zentralen Fragen der Politik unüberbrückbare Gegensätze zur SPD auf, insbesondere in der Außen-, Sicherheits-, Finanz- und Wirtschaftspolitik«. Sie sei »ohne Programm, also unberechenbar«. Die LINKE habe eine »Mitglieds-struktur, die eine verantwortliche Regierungsarbeit unmöglich macht. Darunter sind auch DKP-Mitglieder. Damit ist die unabdingbare Verbindung von Demokratie und Freiheit nicht geklärt.«

Die SPD dürfe sich nicht von der Linkspartei abhängig machen, formulierte Heil. Im Beschluss, der vom Präsidium einstimmig und im rund 40-köpfigen Vorstand mit einer Gegenstimme angenommen wurde, heißt es, die SPD wolle »wirtschaftlichen Erfolg, soziale Gerechtigkeit und ökologische Verantwortung zusammenfügen«. Dabei gehe es um realistische Vorschläge in einer globalisierten Welt. Und: »Wir kämpfen um die solidarische Mehrheit.«

Eine solche Mehrheit sieht Heil im Bund wie in Hessen tapfer noch überall, ausgenommen allein die LINKE. Auch die Große Koalition in Berlin sei nicht gefährdet. »Wir werden unsere Pflicht tun.«

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