Das vergessene Erbe

August Bebel – Stammvater der Sozialdemokratie

  • Ralph Metzger
  • Lesedauer: 3 Min.

In der Buchreihe »Klassiker der Religionskritik« des Aschaffenburger Verlages Alibri sind bereits ausgewählte Texte von Denis Diderot, Johann Most, Albert Dulk, Jakob Stern, Fritz Lamm, Friedrich Hecker, Peter Maslowski und Rosa Luxemburg erschienen – und nunmehr auch von August Bebel (1842-1913), Stammvater der deutschen Sozialdemokratie. Seine Schriften, u. a. »Die Frau und der Sozialismus«, waren internationale Bestseller. Wenig beachtet ist die Tatsache, dass er sich auch häufig mit religiösen bzw. religionspolitischen Fragen auseinandersetzte. Die vorliegende Sammlung widmet sich diesen. Eine biografische Einleitung führt in die politischen Diskussionen der Zeit ein.

Herausgeber Heiner Jestrabek betont, dass Bebel »ein bekennender Freidenker und Atheist war und dies in seinen populärwissenschaftlichen Werken propagierte«. Der Politiker Bebel vertrat einen ausgesprochen modernen Standpunkt und grenzte sich von der späteren sozialdemokratischen Haltung, die Kirchen als Bündnispartner anzusehen und ihre Privilegierung mitzutragen, ebenso ab wie von explizit kulturkämpferischen Strategien. Bebel vertrat den weltanschaulich neutralen, toleranten Staat, der alle Glaubensrichtungen duldet, aber staatliche Einrichtungen und Religion strikt trennen sollte.

1874, im Jahr seines Kirchenaustritts, entstand der später berühmt gewordene Briefwechsel mit Kaplan Hohoff, der – wie Jestrabek schreibt – seine Stärke als Polemiker bezeugt. Der Herausgeber betont: »Sein Vortrag war aber immer klar, leicht verständlich und traf die Angelegenheit punktgenau. Er hatte eben einen eindeutig oppositionellen Standpunkt und unterschied sich somit wohltuend von den voluminösen Worthülsen und Phrasen, für die Politiker damals wie heute bekannt sind. Dies war sein Erfolgsrezept als Parlamentsredner und begründete seine Popularität als Volkstribun.«

Bebel war kein unumstrittener Parteiführer. Gegen Parteiopportunismus und Revisionismus musste er sich auf fast jedem sozialdemokratischen Parteitag wehren. »Bebel verteidigte nicht nur den revolutionären Geist der Bewegung, er stritt auch unermüdlich gegen Militarismus und drohenden Krieg, gegen Kapital, Junkerherrschaft und Großgrundbesitzer und gegen die Kolonialpolitik des deutschen Imperialismus.«

Bebels Buch »Die Mohammedanisch-Arabische Kulturperiode« von 1884 verdient auch heute noch große Aufmerksamkeit, angesichts eines verzerrten Islambildes im Westen und christlich-fundamentalistisch artikulierter imperialistischer Kriege. Jestrabek zitiert Bebels Schreiben an Karl Kautsky vom 31. Januar 1884, in dem er betonte, es liege ihm viel daran, »nachzuweisen, dass es Schwindel sei, mit der christlichen Kultur zu prahlen«. Das genannte Werk endete mit der prägnanten Aussage: »Die mohammedanisch-arabische Kulturperiode ist das Verbindungsglied zwischen der untergegangenen griechisch-römischen und der alten Kultur überhaupt und der seit dem Renaissancezeitalter aufgeblähten europäischen Kultur. Die Letztere hätte ohne dieses Bindeglied schwerlich so bald ihre heutige Höhe erreicht. Das Christentum stand dieser ganzen Kultur-Entwicklung feindlich gegenüber. Und so kann man denn mit Fug und Recht sagen: Die moderne Kultur ist eine antichristliche Kultur.«

Jestrabek stellt Bebel in die aktuelle politische Diskussion in Deutschland, will es jedoch dem Leser überlassen, zu entscheiden, welchen Platz Bebel innerhalb der heutigen SPD einnehmen würde. Der Herausgeber selbst meint: »Auch wenn ein Jahrhundert zwischen unseren Welten liegt, ist schwer vorstellbar, dass er Sozialabbau bei gleichzeitigen Unternehmenssteuergeschenken, Rentenklau und Privatisierungen bei zeitgleichen Kriegseinsätzen in aller Welt gut geheißen hätte.« Bebels Lebenswerk war der Kampf für die Befreiung der Arbeiterklasse und gegen Imperialismus, Kriegsvorbereitungen und Militarismus. Seine fundamentale Opposition kam in dem inzwischen geflügelten Wort »Diesem System keinen Mann und keinen Groschen!« zum Ausdruck.

August Bebel: »Die moderne Kultur ist eine antichristliche«. Ausgewählte Reden und Schriften zur Religionskritik. Hg. von Heiner Jestrabek. Klassiker der Religionskritik, Bd. 9. Alibri, Aschaffenburg 2007. 160 S., br., Abb., 13 EUR.

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