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Ménage à trois in Mittweida

Prozess um »Sturm 34« dreht sich um V-Leute und NPD-Regisseure

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Im Prozess gegen die rechte Schlägertrupppe »Sturm 34« aus Mittweida dreht sich alles um die Frage, welche Rolle die NPD sowie ein V-Mann des Staatsschutzes spielten.

Am vierten Tag wurde endlich in der Sache verhandelt: Im Prozess gegen fünf Aktivisten der rechten Kameradschaft »Sturm 34« ging es gestern um einen Überfall auf Jugendliche an einer Tankstelle in Stollberg. Daran sollen auch einige der Männer beteiligt gewesen sein, die seit einer Woche am Landgericht Dresden auf der Anklagebank sitzen und denen neben gefährlicher Körperverletzung, Volksverhetzung und Volksverhetzung die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen wird.

Bisher kamen in dem Verfahren weniger die brutalen Überfälle zur Sprache, die das sächsische Mittweida zur »national befreiten Zone« machen sollten. Thema ist vielmehr die merkwürdige Dreierbeziehung, in der diese Schlägertruppe mit dem Staatsschutz, aber auch mit der NPD verbandelt war – eine Liaison, die für alle Beteiligten höchst brisant werden könnte. Die Behörde hatte in der im April 2007 verbotenen Kameradschaft mit dem heute 40-jährigen Matthias W. einen Informanten im Einsatz, der womöglich sogar als weisungsgebundener V-Mann geführt wurde. W. erklärte im Prozess, er habe bereits fünf Monate vor Gründung des »Sturm 34« im März 2006 erste Kontakte zum Staatsschutz gehabt. Ein als Zeuge gehörter Staatsschützer erklärte, W., der Prämien und Telefonkarten im Wert von 1000 Euro erhalten habe, sei im Januar 2006 auf die Ermittler zugegangen; begonnen habe die tatsächliche Zusammenarbeit indes erst im Umfeld der Gründung der Kameradschaft. Die Frage, wie aktiv die Rolle des momentan in Haft sitzenden W. tatsächlich war, ist zentral für den Fortgang des Verfahrens, das an der V-Mann-Problematik im äußersten Fall sogar scheitern kann.

Für Wirbel sorgt zudem die angeblich sehr enge Beziehung zwischen »Sturm 34« und der NPD. Denn während die tunlichst auf Distanzierung bemühte Partei suggeriert, die »unpolitische Chaostruppe« sei von den Behörden aufgewiegelt worden, indem »Systemschergen manipulierbare Jugendliche als Schläger abgerichtet haben«, zitieren Presseberichte jetzt geheime Ermittlungsakten, denen zufolge führende Köpfe der Kameradschaft eng mit regionalen NPD-Größen verkehrten und von diesen nicht nur als Saalschutz angeheuert, sondern auch zu Gewalttaten ermuntert wurden. Demnach soll der Kreischef der NPD den Rädelsführer von »Sturm 34« aufgefordert haben: »Mach in Mittweida Unruhe, brüll Sieg Heil! und schlag die Ausländer zusammen, stifte Unruhe!« Dieser soll erwidert haben: »Das mache ich schon.«

Die NPD ist alarmiert. Wortreich beteuert Landeschef Winfried Petzold, die Partei lehne »Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele ab«. Zugleich werden Kontakte des Ex-Kreischefs zu Angehörigen des »Sturm 34« eingeräumt – aber nur, um einen »mäßigenden Einfluss« auszuüben. Gleichwohl sollen zwei Funktionäre sich erneut erklären; es wird mit »parteirechtlichen Maßnahmen« gedroht.

Ungeachtet solcher übereifriger Versuche, die Hände in Unschuld zu waschen, sehen Kritiker in den Mittweidaer Vorgängen einen erneuten Beleg für die symbiotische Beziehung zwischen NPD und militanten Kräften. Kerstin Köditz, Landtagsabgeordnete der LINKEN, sieht »Sturm 34« quasi als »bewaffneten Arm« der Kreis-NPD, was die Notwendigkeit eines Verbots der Partei untermauere. Zugleich hätten die Behörden zu lange tatenlos zugeschaut – obwohl sie offenbar gut informiert waren.

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