Renditeinteressen bei der Bahn?

SPD-Politiker Lothar Mark hält den Privatisierungsbeschluss für falsch

  • Lesedauer: 3 Min.
Lothar Mark (geb. 1945) ist Bundestagsgeordneter der SPD und Mitglied im Haushaltsausschuss.

ND: Steht die Festlegung des SPD-Parteirats, private Investoren zu 24,9 Prozent am Transportbereich der Bahn zu beteiligen, im Widerspruch zu den Beschlüssen des Hamburger SPD-Parteitags?

Lothar Mark: Ja, der Widerspruch besteht zu wesentlichen Forderungen des SPD-Bundesparteitags. Dazu gehören: »Kernbereiche öffentlicher Daseinsvorsorge wollen wir nicht den Renditeerwägungen globaler Kapitalmärkte aussetzen.« Und: »Es darf keine Zerschlagung der Bahn geben. Wir erhalten den integrierten Konzern Deutsche Bahn AG und damit auch den konzerninternen Arbeitsmarkt.«

Sehen Sie einen Widerspruch zwischen der im Grundgesetz formulierten Pflicht des Staates, die Verkehrsangebote am Wohl der Allgemeinheit auszurichten, und der Beteiligung privater Investoren, deren Ziel eine möglichst hohe Rendite ist?

Auch hier sehe ich einen Widerspruch, denn Ausrichtung am Gemeinwohl ist nicht kompatibel mit möglichst großen Renditewünschen von privaten Investoren. Kein Investor wird seine Gewinninteressen hinter die Allgemeinwohlinteressen zurückstellen, weder eine Bank irgendwo auf der Welt, noch Gazprom, noch irgendwelche »Heuschrecken«.

Wird die Qualität der Leistungen der Bahn im Personenverkehr mit privater Beteiligung sinken?

Diese Frage kann ich uneingeschränkt mit »ja« beantworten. Die privaten Aktionäre würden nicht nur der Unternehmensführung der Tochtergesellschaft VuL AG, sondern auch der geplanten Gesamt-Holding Einfluss einräumen. Der Bund könnte als Mehrheitsaktionär seiner grundgesetzlichen Pflicht nicht nachkommen, dem Wohl der Allgemeinheit und ihren Verkehrsbedürfnissen entsprechende Verkehrsangebote zu gewährleisten. Eine ökologisch und energiepolitisch orientierte Verkehrspolitik lässt sich im Personen- und Güterverkehr der Bahn angesichts des Risikos von Ge-winnerwartungen und Kurverlusten nicht gegen eine Minderheit privater Investoren durchsetzen. Fachleute sagen voraus, dass mit der Teilprivatisierung der Tochtergesellschaft VuL AG massive Streichungen im ICE-/IC-Verkehr der DB AG zu erwarten sind. Zahlreiche Strecken hätten dann keine ICE-/IC-Anschluss mehr.

Ist eine Verkehrspolitik, die sich an den Erfordernissen des Klimaschutzes ausrichtet, überhaupt vorstellbar, wenn kurzfristigen Gewinninteressen Raum gegeben wird?

Ich glaube nicht, dass eine solche Verkehrspolitik vorstellbar ist. M.E. müsste eine integrierte Verkehrspolitik betrieben werden, die nicht privaten Gewinninteressen subsumiert werden darf und kann. Aus diesem Grund lehne ich nicht nur die Teilprivatisierung, sondern jegliche Bahnprivatisierung grundsätzlich ab.

Zwei Drittel der Bundesbürger sind gegen die Bahnprivatisierung. Könnte die SPD von den Wählern eine Quittung bekommen?

Diese Befürchtung bestätigt sich hoffentlich nicht, aber die Gefahr besteht. Die gesamte Privatisierungsdiskussion wäre m. E. ein gutes Thema für den nächsten Bundestagswahlkampf gewesen. Mir erschließt sich bis heute nicht, weshalb gerade Sozialdemokraten in diesem sensiblen Bereich die Tür einen Spalt öffnen. Vielleicht hat die Parteispitze aber mit dem Beschluss auch Schlimmeres verhindert und die »Prozentgefräßigkeit« von CDU/CSU und FDP dauerhaft eingeschränkt, die den Anteilsverkauf auf 49,9 Prozent anheben wollten. Nach der neuen Beschlusslage muss nun dafür gekämpft werden, dass weitere Prozenterhöhungen grundsätzlich und auf Dauer ausgeschlossen werden.

Fragen: Rolf-Henning Hintze

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