Parade der Prekären

Mayday – weltweite Demonstrationen für soziale Lebensbedingungen

  • Christoph Schulze
  • Lesedauer: 2 Min.
Auf »Maydayparaden« wurde gestern in 20 Städten europa- und weltweit für soziale Rechte und gegen prekäre Arbeits- und Lebensbedingungen demonstriert. Der größte Aufzug in Deutschland fand einige Stunden vor der revolutionären Demonstration in Berlin statt.
Mayday-Parade in Berlin
Mayday-Parade in Berlin

Am Boxhagener Platz im Berliner Bezirk Friedrichshain versammelten sich die nach Zählung der Veranstalter 6000 Paradeteilnehmer um bunt gestaltete Lautsprecherwagen und zogen von dort aus Richtung Kreuzberg. Eine Sambaband trat auf, DJs spielten Technomusik ab, in den Pausen gab es Redebeiträge. Eine Mischung aus fröhlichem Karneval und den ganz großen politischen Forderungen: Viele Menschen waren schrill verkleidet und trugen dabei Schilder mit Parolen wie »Wir kriegen nur, wofür wir kämpfen« oder »Kommunismus ist ein Traum«. Wie kämpfen am ersten Mai, wenn sich die Welt der Arbeit ändert, hatten sie sich im Vorfeld der Aktion gefragt. Reicht es heute aus, die Traditionen von Arbeiterbewegung und Gewerkschaften hochleben zu lassen? Was früher Klasse war, zerfasert. Kämpfe um Löhne und Tarife repräsentieren jene nicht, die sich von Praktikum zu Praktikum hangeln oder zur unabgesicherten Selbstständigkeit auf niedrigem Niveau gezwungen sind. Diese Analyse hat gestern international Zehntausende zu den »Maydayparaden« auf die Straße gebracht.

»Ich bin betroffen von Prekarität«, erklärte die Berliner Paradeteilnehmerin Gudrun am Rande des Aufzugs gegenüber dem ND. Sie gehe auf die Straße, weil sie als Selbstständige in der Bildungsarbeit tätig sei, sich von Monat zu Monat hangele. »Was ist, wenn ich krank werde? Wovon werde ich leben, wenn ich älter werde? Diese Unsicherheit macht mir Angst.« Ihr politisches Ziel sei »eine Gesellschaft, in der alle Menschen ihre existenziellen Bedürfnisse befriedigen können.«

Aufgerufen zum Berliner Mayday hatte ein Zusammenschluss von linken Gruppen, Jugendinitiativen und alternativen Kulturprojekten. Auch Linksjugend.Solid und DIE LINKE.SDS (Studierendenorganisation der Linkspartei) waren beteiligt. »Wir wollen einen längerfristigen Prozess der Selbstorganisierung auslösen«, sagte Bündnissprecher Philipp Stein gegenüber dem ND. Die Berliner Parade sei ein Beitrag, um die Suche nach neuen, den prekären Verhältnissen angemessenen Aktionsformen voranzutreiben. Das unterscheide den Mayday, der in Berlin seit drei Jahren stattfindet, von der abendlichen Demonstration in Kreuzberg. »Nur am ersten Mai einen militanten Gestus vor sich herzutragen, das reicht nach unserer Meinung nicht aus«, so Stein.

In Aachen gab es aus Protest gegen die Verleihung des Karlspreises an Bundeskanzlerin Angela Merkel ebenfalls eine Maydayparade – hier nahmen rund 2000 Menschen teil. Weitere Aufzüge fanden in Hamburg, Tübingen und Hanau statt. International gab es den Mayday unter anderem in Mailand, Lissabon, Helsinki und Wien. In Japan werden derweil ab übermorgen mehrere Maydayparaden gefeiert. Die Organisatoren wollen damit die Mobilisierung zu den Protesten gegen den G 8-Gipfel unterstützen, der im Juli auf Hokkaido stattfindet.

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