Ureinheit aus Natur und Kunst

Galerie der Berliner Graphikpresse zeigt Arbeiten von Edmund Kesting

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.
»Ölmalerei und Aquarell« ist der Ausstellungstitel.
»Ölmalerei und Aquarell« ist der Ausstellungstitel.

Vielfalt einer künstlerischen Handschrift erlebt, wer die Galerie der Berliner Graphikpresse betritt. Deren Mitarbeitern dankt man die Wiederbegegnung mit dem Werk eines Künstlers, der heute mehr für seine fotografischen Experimente bekannt ist als für sein malerisches Oeuvre. Dabei stehen Edmund Kestings »Ölmalerei und Aquarell«, so der Titel jener Schau, in Kreativität und Nuancenreichtum den Fotostudien nicht nach.

Dreißig seiner zumeist kleinformatigen Arbeiten geben einen Eindruck vom Schaffen eines Mannes, der zweimal ins Räderwerk der Politik geriet. Über ein halbes Jahrhundert lebte Kesting (1892-1970) in seiner Geburtsstadt Dresden, studierte dort an Kunstgewerbeschule und Kunstakademie. Als Reaktion auf die traditionell orientierte Ausbildung wendet er sich der Avantgarde zu, holt Kokoschka an jene Akademie, knüpft Kontakte zum »Sturm«-Kreis des Herwarth Walden, gründet 1919, fast zeitgleich zum Bauhaus in Weimar, die private Kunstschule »Der Weg«. Mit zunächst konstruktivistischen Bildern sowie Bildcollagen nimmt er an Ausstellungen auch in Moskau und New York teil, eröffnet eine Berliner Filiale seiner Schule.

Auf Hausdurchsuchungen durch die Nazis folgen Diffamierung als Formalist und Malverbot. Fotografische Dokumentationen »seines« Dresden halten ihn über Wasser. Dem »Totentanz von Dresden«, einer Bildserie der zerstörten Stadt, schließen sich nach 1945 Lehramt, aus dem er vertrieben wird, und Berufung an die Kunsthochschule Berlin-Weißensee an. Auch hier verliert er im Zug der Realismus-Debatte 1953 als »Formalist« sein Amt. Als Dozent an der Filmhochschule Babelsberg erfährt er öffentliche Anerkennung für sein fotografisches Werk, porträtiert, wie zuvor Wigman und Hoyer, wieder Persönlichkeiten: Nagel, Weigel, Palucca, Becher. Außer dem Wintersitz in Birkenwerder wird ein Sommerhaus in Ahrenshoop zum Domizil, gerät die Landschaft des Darß zum bevorzugten Thema seiner Bilder. Dresden, Chemnitz, Görlitz erwerben noch zu seinen Lebzeiten Arbeiten, ab 1980 wird er wiederentdeckt.

Beinah 50 Schaffensjahre überstreicht die aktuelle Exposition. Sie zeigt, dass Kesting weder den Abstrakten noch den Gegenständlichen zuzurechnen ist. »Waldlichtung« von 1921 als ältestes Beispiel umreißt den aquarellierten Wald deutlich, erzielt indes durch die Farbgestaltung, Wirbel aus Rosa und Violett, künstlerische Eigenheit. Die nur wenig jüngeren Werke »Dornenkrone« oder »Rotierende Funktion« arbeiten konstruktivistische Einflüsse auf, erinnern in ihren geometrischen Formen an Kandinsky, Klee, Feininger.

In den Altersbildern manifestiert sich Kestings pantheistisch getönte Ureinheit aus Natur und Kunst am klarsten. Konkrete Gegenstände wie Segelboote, Häuser, Baumstämme, bisweilen fast naiv karg skizziert, schwimmen und schweben dabei auf atmosphärischen Farbkompositionen, die Kestings Naturerlebnis Gestalt werden lassen. Entdeckerfreudige Maltechniken wie Öl auf Hartfaser, Pappe, Krepp, Velour verstärken die beabsichtigten Wirkungen.

Bis 24.5., Galerie der Berliner Graphikpresse, Gabelsbergerstr. 6, Friedrichshain, mi-fr 13-19 Uhr, sa 11-15 Uhr, Tel. 42 01 24 40, www.galerie-berliner-graphikpresse.de

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