Bossi kündigt Föderalismus an

Italiens Regierung geht gegen armen Süden und Immigranten vor

  • Lesedauer: 3 Min.
Von Wolf H. Wagner, Florenz

Kaum ist die neue Regierung im Amt, versuchen sich ihre Minister schon zu profilieren. Umberto Bossi, Chef der Lega Nord und im Berlusconi-Kabinett verantwortlich für Staatsreformen, kündigte an, Italien zu einem föderalistischen System umzustrukturieren.

Es sind Pläne, die die Lega Nord schon lange hegt, die eigentlich das Grundverständnis dieser Partei bilden: Nachdem die einst angestrebte Gründung eines autonomen »Padania« – ein Zusammenschluss der Nordregionen Lombardei, Friaul und Veneto – nicht durchsetzbar war, will Umberto Bossi wenigstens die wirtschaftliche Autonomie des Nordens erreichen. Steuerreform heißt die Zauberformel. Speziell die Industriesteuern will der Lega-Chef reformieren. Es ginge nicht an, so Bossi, dass der »arbeitende Norden« ständig den Süden subventioniere. Nach seinen Vorstellungen sollten 90 Prozent der in den Nordregionen anfallenden Industriesteuern auch dort reinvestiert werden.

Für den nach wie vor industriell weniger entwickelten Süden hätte eine solche Reform katastrophale Folgen. Liegt im Landesdurchschnitt die Arbeitslosenquote bei etwa sechs Prozent, so ist sie im Süden deutlich höher. Vor allem bei den unter 25-Jährigen liegt sie oft bei über 20 Prozent. Bislang wurde ein Teil der Misere durch staatliche Subventionen und Arbeitsfördermaßnahmen abgefangen. Eine solche Politik setzt jedoch Steuereinnahmen voraus – doch in den vergangenen Jahren waren die öffentlichen Finanzen von einer hohen Verschuldung – etwa 106 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – gekennzeichnet.

Der designierte Wirtschaftsminister Giulio Tremonti schlug auch sofort Alarm: »Die öffentlichen Kassen sind leer, die Bilanzen der Regierung Prodi sind leider nicht gut.« Es müssten, so der Minister, rigorose Maßnahmen ergriffen werden, um die Binnenwirtschaft zu sanieren. Der Staat müsse sich mit den Gewerkschaften treffen, um auch moderate Lohnlösungen auszuhandeln. Das heißt für die Betroffenen meist Einsparungen beim Einkommen.

Für den Süden bedeutet das weitere wirtschaftliche Einschränkungen, die Schere zwischen dem reichen Norden und den Regionen des Mezzogiorno wird weiter auseinanderklaffen. Armer Süden. Um so erstaunlicher erscheint es im Nachhinein, dass gerade in diesen Regionen das »Volk der Freiheit« (Pdl) Silvio Berlusconis solche Wahlerfolge erringen konnte. Ob die Wähler nach den ernüchternden Maßnahmen der Pdl noch die Stange halten werden, bleibt abzuwarten.

Die Gewerkschaften kündigten bereits scharfen Protest an. Guglielmo Epifani, Vorsitzender der größten Gewerkschaftsorganisation CGIL, reagierte mit deutlichen Worten auf Tremonti: »Auf diese Art verschärft die Regierung bereits von Beginn an die Konfrontation.« Es sei völlig unverständlich, wie Tremonti einerseits von leeren Klassen spreche und andererseits Sondersteuerersparnisse für die Industrie vorsehen könne. Eine solche Wirtschaftspolitik müsse zwangsläufig in Auseinandersetzungen münden.

Innenpolitische Verschärfungen bringen auch die ersten Wortmeldungen des Innenministers Maroni (ebenfalls Lega) und des Verteidigungsministers La Russa (Alleanza Nazionale). »Es muss endlich Schluss gemacht werden mit der illegalen Einwanderung«, ließ etwa Maroni vernehmen. Auch müsse es Möglichkeiten geben, die Zahlen der bislang Eingewanderten, vor allem die der Rumänen, drastisch zu reduzieren. Angesichts der Mitgliedschaft Rumäniens in der EU dürfte dies kein leichtes Unterfangen sein. Doch Maroni drängt darauf, mit Bukarest entsprechende Verhandlungen aufzunehmen.

In seiner Law-and-order-Politik wird Maroni von Ignazio La Russa energisch unterstützt. Er ist bereit, auch das Militär gegen Immigranten einzusetzen. Man habe nun eine ausreichende Mehrheit im Parlament, um mit harter Hand Maßnahmen gegen die unerwünschte Einwanderung vorzunehmen. In der Nacht zum Donnerstag nun hat die Polizei in neun Regionen mehrere hundert Menschen festgenommen und Dutzende abgeschoben.

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