Spiritualität zum Nulltarif

CDU-Vize Koch frühstückt mit Dalai Lama / SPD fetzt sich wegen China-Politik / LINKE rät zu Realismus

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Am Donnerstag traf der Dalai Lama in Deutschland ein. Zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate. Offenbar fühlt er sich willkommen – in einem Land, wo er als religiöses Oberhaupt »der« Tibeter bezeichnet, doch als politischer Kopf des anti-chinesischen Widerstandes herumgereicht wird.

Wenn »unser Gottvertrauen immer so stabil wäre wie sein Vertrauen in die spirituelle Unendlichkeit seines Glaubens«, dann wäre auch der katholischen oder evangelischen Kirche gedient. Ein Satz aus aktuellem Anlass von Hessens Regierungschef Roland Koch (CDU), der – bis in Justizstuben hinein – bekannt ist als einer, der christliche Gebote vertritt; insbesondere das Gebot, nicht falsch Zeugnis zu reden.

Nachdem sich zunächst kein Mitglied der Bundesregierung fand, das den Dalai Lama umarmen wollte, lud CDU-Vize Koch zum Frühstück ein. Clever – und sparsam. Denn so bekam er des Gastes Spiritualität zum Nulltarif. Ansonsten verlangt der Dalai Lama fast 50 Euro pro Eintrittskarte, wenn er für seine Jünger in den kommenden Tagen in Bochum, Mönchengladbach, Nürnberg und Bamberg spirituellen Unendlichkeit versprüht.

Diese spirituell unendliche Tournee ist politisch problematisch. Noch sind die Straßenschlachten in Tibet nicht vergessen, noch tobt der Wettbewerb um den politisch unmöglichsten Olympia-Start. Und dann ist da noch das verheerende Erdbeben in China, das zehntausende Opfer gefordert hat und noch fordert.

Die Situation für Tibet und den Dalai Lama sei derzeit »sehr schwierig«, sagte Koch, und sein Gast verlautete, er wolle beten. Einmal für die chinesischen Menschen, zum anderen aber wie gehabt für eine »echte Autonomie«. Was das ist? Der 72-jährige Friedensnobelpreisträger betonte, dass Tibet nicht unabhängig von China werden solle. Doch zunächst müsse es bei den Gesprächen mit der chinesischen Führung um »Vertrauen« gehen.

Um Misstrauen geht es derzeit in der SPD. Nachdem auch Außenminister Frank Walter Steinmeier (SPD) – getreu der deutschen Chinapolitik – kein Gespräch mit dem tibetischen Vortragsreisenden sucht, drängt es seine Partei- und Kabinettskollegin Heidemarie Wieczorek-Zeul zum Händeschütteln. Offenbar ohne das Kabinett und ihre Parteispitzen von dieser Sucht informiert zu haben. Prompt bekam sie harsche Kritik von SPD-Fraktionsvize Walter Kolbow zu spüren. Der hält sich zu politischen Gesprächen in Peking auf und meint: »Ich glaube, dass auch wir intensiver auf die Stabilität Chinas achten müssen. Wir sollten die Risiken von Fehlentwicklungen in China nicht unterschätzen.« Bei den Unruhen im März sei die Gewaltbereitschaft »teilweise« auch von Tibetern ausgegangen. Kolbow berichtet, dass der Empfang des Dalai Lama durch Kanzlerin Angela Merkel bei seinen Gesprächspartnern in Peking »nach wie vor übelgenommen« werde.

China ist eine Großmacht, vor allem wirtschaftlich. Und die sollte man nicht reizen, heißt das im Klartext. So ist es auch nicht hilfreich, wenn der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Günter Nooke (CDU), mal wieder mit unpassenden Belehrungen aus der Versenkung auftaucht und ausgerechtet nur gegen China »öffentlichen Druck« herbeiredet.

Selbstverständlich, so sagt auch der Völkerrechtler Norman Paech von der Bundestags-Linksfraktion, seien Menschenrechte unteilbar. Doch dazu gehöre anzuerkennen, dass China bei der Verbesserung der ökonomischen und sozialen Lage seiner 1,3 Milliarden Bürger enorme Fortschritte gemacht hat. »Wenn sich Frau Wieczorek-Zeul schon unbedingt mit dem Dalai Lama treffen muss, dann sollte sie ihm klar machen, dass Deutschland den souveränen und territorialen Status Chinas nicht antasten wird.« Paech warb dafür, endlich »alte ideologische Vorurteile abzulegen« und zu einer fruchtbaren Zusammenarbeit auch jenseits von Milliardengeschäften zusammenzufinden.

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