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Hetze unter falscher Flagge

Das rechtsextreme Heavy-Metal-Magazin »A-blaze« versucht, die Szene zu unterwandern

  • Ronja Fuhrmann
  • Lesedauer: 6 Min.

Kürzlich fand im Berliner Magnet Club ein Konzert mit drei Heavy-Metal-Bands statt – zur Freude der Fans harter Klänge. Eigentlich eine gute Sache. Doch leider sollte der Abend von einem Musikmagazin präsentiert werden, das man bei genauerem Hinsehen nur als rechtsextrem bezeichnen kann: »A-blaze«. Vor diesem genauen Hinsehen scheute man im Magnet Club offenbar lange Zeit zurück. Erst Stunden vor dem Konzertbeginn verschwanden die Verweise auf das Magazin von der Homepage des Clubs.

Schon in den 90ern gab es ein eher unpolitisches Black-Metal-Heft namens »Ablaze«, mit Interviews und Plattenreviews relevanter Bands. Das ging 2003 finanziell ein, und der gute Name war verwaist. So staunte die Fachwelt, als im Frühling 2007 eine Fortführung der Zeitschrift angekündigt wurde. Das Erstaunen wuchs mit der Erkenntnis, dass es sich um eine vollkommen neue Redaktion handelte und das Heft auch wieder bei Ausgabe 1 beginnen sollte. Gemeinsamkeiten mit dem Namensspender gab es offenbar nicht. Es stellte sich heraus, dass eine Gruppe um Neonazi-Ikone Hendrik Möbus den Namen dreist für das neue Heft aufgegriffen hatte.

Möbus und seine Band Absurd wurden 1994 weltweit bekannt. Allerdings nicht durch ihre Musik, sondern durch den sogenannten »Satansmord von Sondershausen«. Der hatte zwar nichts mit Satanismus zu tun, dafür jedoch mit krankhaft übersteigertem Elitedenken. Der 15-jährige Mitschüler Sandro Beyer wurde widerlich gequält und schließlich mit einem Stromkabel erwürgt. Die Täter wurden inhaftiert, erhielten Jugendstrafen und wurden nach etwa fünf Jahren wieder entlassen – nicht ohne im Gefängnis unter dem Namen »In Ketten« ihre erste CD mit nazikompatiblem, primitivem Rechtsrock aufgenommen zu haben. Dass Sandro Beyers Mörder keine Reue zeigten, sondern stattdessen offenbar sogar stolz auf ihre Tat waren, zeigt eine unfassbare Tatsache: Auf dem Cover ihres Demotapes »Thuringian Pagan Madness« war ein Foto der Grabstelle des Mordopfers zu sehen.

Bandleader Möbus entwickelte sich in der Folgezeit zu einem der wichtigsten Protagonisten der rechtsextremen Musikszene weltweit. Kurz nach seiner Haftentlassung ließ er sich während eines Absurd-Konzertes auf der Bühne im SS-artigen Ledermantel und mit erhobenem rechten Arm von den 400 anwesenden Leuten abfeiern. Fackelträger säumten den Auftritt. Logischerweise erging Haftbefehl. Möbus flüchtete in die USA, baute dort mit führenden Neonazis ein internationales Vertriebsnetz für rechtsextreme Musik auf, bis er schließlich verhaftet werden konnte und für mehrere Jahre wegen Volksverhetzung einsitzen musste.

Jetzt ist Möbus wieder in Freiheit. In Insiderkreisen besteht kein Zweifel daran, dass er sich hinter dem Pseudonym Vic Vicious verbirgt und als Chefredakteur für das neue »A-blaze« agiert. Wen kann es wundern, dass das Heft Platz bietet für teils rechtsextremes Gedankengut, Nationalismus und anti-linke Hetze? Erst angekündigt als direkte Weiterführung des »Ablaze«, veröffentlichte man das Magazin in Sorge um juristische Konsequenzen lieber als »A-blaze«. Peter Schramm, Chefredakteur der früheren Zeitschrift und Rechtsinhaber des Namens, tauchte 2003 nach hochverschuldeter Insolvenz unter. Als er nach zwei Ausgaben noch keine Beschwerde eingelegt hatte, wurde man anmaßend und nennt sich öfter mal wieder einfach »Ablaze«. Zum Beispiel bei Konzertveranstaltungen. Somit begeht das neue »A-blaze« nicht nur eine dreiste Verletzung der Urheberrechte, sondern auch eine Täuschung der Käufer und der interviewten Bands.

Die Zeitschrift erscheint ohne Verlag vierteljährlich seit September 2007. Vier Ausgaben kursieren mittlerweile. Im Gegensatz zum alten »Ablaze«, das zumindest an allen Bahnhofskiosken und bei den größeren Zeitschriftenhandlungen erhältlich war, scheiterte nun der Versuch, das Heft in einen Pressevertrieb zu bringen. Es ist ausschließlich über kleinere Mailorder und den Eigenvertrieb zu kaufen. Beachtenswert ist die bevorzugte Zahlungsmethode via PayPal, eine Tochtergesellschaft der Firma eBay mit Sitz in Luxemburg. Gerade eBay ist sonst dafür bekannt, den Handel mit allen neonazistisch orientierten Artikeln strikt zu unterbinden.

Der größte Teil der Mitarbeiter schreibt unter Pseudonymen wie »Unmensch«, »Rabenruf« oder »Ulf Hellbilly«. Namentlich genannt sind etwa Dennis Freiberger von der Black-Metal-Band Zarathustra, der in seiner Top 5-Play- list das Album »The Yoga of National Socialism« der rechtsextremen australischen Band Spear Of Longinus anführt, sowie Kris Boehmunde, der an gleicher Stelle Absurd nennt. Beispiele für die politische Ausrichtung des »A-blaze« sind unschwer zu finden. So wird die neonazistische Band Halgadom, deren Frontmann Frank Krämer Gründungsmitglied der Rechtsrockband Stahlgewitter ist, in der Kritik zu ihrer CD »Sturmwoge« lyrisch zitiert: »Auf das Banner, auf die Treue, lasst uns sein die Göttersaat. Als Zeichen unserer Bruderschaft, steigt empor das Sonnenrad!« und erscheint dafür dem Rezensenten Kris Boehmunde »umso sympathischer«. Menneskerhat, bekannt durch Titel wie »Danksagung (to a Jew)«, plaudern im Interview über ihre Texte, sie »drehen sich um politische Themen, Heimatverbundenheit, Patriotismus, Intoleranz bis hin zu gewissen Zuständen von Ahnenverbundenheit und Träumen«. Keiner Erklärung bedarf die in »A-blaze« abgedruckte Aussage Varg Vikernes' von Burzum, einem der weltweit bekanntesten Vertreter des sogenannten National Socialist Black Metal (NSBM): »Das einzige Objekt, dem ich jemals religiöse Gefühle entgegengebracht habe, war ein SS-Stahlhelm …«

Doch auf den ersten Blick geben sich auch viele der interviewten Bands unpolitisch und beteuern, indem sie geschickt viele Klippen umschiffen, dass Nationalstolz nichts mit dem zu tun habe, was ihnen von Linken, Antifas und Staatsdienern vorgeworfen würde und es vielmehr durch die Verfassung ja garantiert sei, sich frei und freiheitlich zu äußern. Ohne diese Vorwürfe namentlich zu erwähnen, versteht sich.

Seit Kurzem bemüht sich das Magazin um Hendrik Möbus nun, Konzerte und Veranstaltungen mit »normalen« Bands zu organisieren. Laut Johanna Sadonis, die unter dem Namen »Death From Berlin« im Heft arbeitet, gehe es dabei überhaupt nicht um Politik, nur um gute Musik. Wer das bezweifle, hätte sich nicht ausreichend mit den Inhalten beschäftigt, male nur den Teufel an die Wand. Interessant daran ist, dass Sadonis in der Vergangenheit Mitglied der Black-Metal-Band Cryogenic war – ebenso wie Sven Zimper, der neue Drummer von Absurd.

Der Glaube an eine Distanzierung von rechtsextremen Ideologien fällt schwer. Zu vollgestopft sind die Hefte mit Werbeanzeigen rechter oder rechtsradikaler Labels und Vertriebe wie No Colours und Darker Than Black. Politisch bedenkliche Bands werden seitenlang interviewt, bei Gelegenheit wird gar von Redaktionsseite dazu aufgefordert, sich geschlossen gegen die Muslime Europas zu wehren. Durch die Zeilen sickert permanent das Drängen nach einem »reinen, befreiten Europa«. Schon die Wortwahl deutet auf eine streng nationale Gesinnung hin: Das Internet ist hier das »Weltnetz«, eine Kassette ein »Tonband«, in einer Anzeige werden »neue Uniformen von Absurd« beworben. Unter dem Motto »The True Voice Of Underground« versucht eine rechtslastige Zeitschrift, sich in der Mitte einer per se unpolitischen Szene zu etablieren.

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