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  • Stefanie Schrank »Forma«

Blick aus dem All

Bitte hinhören: Stefanie Schranks neues Album »Forma«

  • Luca Glenzer
  • Lesedauer: 3 Min.
Stefanie Schrank »Forma« – Blick aus dem All

Dass kommerzieller Erfolg schon immer in einem kaum übersehbaren Missverhältnis zur künstlerischen Relevanz stand, ist bekannt. Und doch: Eine derartige Inkongruenz wie im Fall der wegweisenden Künstlerin Stefanie Schrank macht mitunter ratlos, läuft sie im öffentlichen Diskurs doch zumeist unter ferner liefen. Dabei fallen ein sensibles Gespür für Klangästhetik und herausragendes Songwriting selten so sehr in eins wie bei ihrer Musik.

Doch vielleicht wird ja nun alles anders: Denn mit »Forma« liefert die Sängerin und Bassistin der Kölner Indie-Pop-Gruppe Locas in Love nach ihrem herausragenden Solodebüt »Unter der Haut eine überhitzte Fabrik« (2019) nun ihr zweites Album – und der Öffentlichkeit einmal mehr einen guten Grund, ihrer Musik endlich Gehör zu schenken. Wie den Vorgänger hat sie auch »Forma« in Eigenregie in ihrem Studio aufgenommen – ein Ort, den man sich durchaus als eine Art Labor vorstellen kann, in dem sich in einer experimentellen Endlosschleife aus Vorbereitung, Durchführung, Beobachtung und Analyse Stück für Stück jenes selten vorzufindende Artefakt herauskristallisiert, das man für gewöhnlich einen guten Popsong nennt. Und davon gibt es auf dem Album gleich zehn.

Bereits der Opener »Forma« macht dabei mit seinem spannungsreichen, mehrere Klangschichten umfassenden Synthie-Intro deutlich, dass Schrank etwas von Dramaturgie versteht. Ähnlich wie die ersten Seiten eines guten Buches lässt einem der Einstieg des Songs im Grunde genommen keine Wahl: Man hört zu, und zwar gebannt. Nach knapp drei Minuten bahnt sich ihre Stimme schließlich aus dem Off den Weg in den Vordergrund: »Form, Formation, Transformation, Sometimes we miss where we are from«, singt sie. Die Poesie solcher Zeilen erschöpfen sich dabei nicht in ihrem genuinen Inhalt, sondern erwachsen erst durch Schranks unnachahmliche Vortragsweise zu wahrer Größe.

Auch die übrigen neun Songs bewegen sich in überwiegend leisen Soundgefilden. Wie schon vor fünf Jahren oszilliert Schrank damit irgendwo zwischen Kraftwerk und Ulla Meinecke, retro-futuristischen Klangelementen und anrührender Innerlichkeit. Dass in dem parallel erschienenen Pressetext die französische Elektro-Chanteuse Saho De Sagazan – die mittlerweile zum internationalen Popstar aufgestiegen ist – als Referenz angeführt wird, ist daher weit mehr als nur ein Marketing-Trick.

Denn ähnlich wie im Falle Sagazans ist die Musik auf »Forma« auf das Wesentliche reduziert, kein einziger Ton überflüssig. Dabei strahlen Songs wie »Crossfade«, »La Boum«, oder der Synth-Pop-Hit »Shapeshifter« eine fast schon gespenstische Ruhe aus – ganz so, als ob Schrank irgendwo oben im All schwebt und auf uns kleine Erdwesen herabschaut. Von dort oben singt sie Zeilen wie: »Nein, wir fürchten nicht die Nacht / Nein, wir fürchten nicht den Morgen«. Für die Dauer des Albums beginnt man sich zu fragen: Warum sollte man auch?

Und wer weiß: Vielleicht transformiert sich die ihrer Musik inhärente Gelassenheit ja auch in mikroskopischen Dosen in den mitunter turbulenten Alltag – doch das ist spekulativ. Was hingegen feststeht: »Forma« ist schon jetzt ein Kandidat für das Album des Jahres 2025.

Stefanie Schrank: »Forma« (Staatsakt)

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