Provokateure bei Anti-NATO-Demo

Vorwürfe gegen Polizei und Verfassungsschutz

  • Nikolaus Brauns, München
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.

Die Polizei hat Provokateure bei der eigentlich verbotenen Demonstration gegen die NATO-Sicherheitskonferenz Anfang Februar in München eingesetzt. Dies behauptete der dritte Bürgermeister Hep Monatzeder auf einer Sondersitzung des Kreisverwaltungsausschusses im Münchner Rathaus.

Hep Monatzeder ist Grünen-Abgeordneter in München. Allerdings nicht irgendeiner: Gleichzeitig ist er dritter Bürgermeister der bayerischen Landeshauptstadt. In dieser Woche machte er mit schwer wiegenden Vorwürfen von sich reden. Ein Journalist habe bei den Protesten in München gegen die jüngste NATO-Konferenz beobachtet, berichtete der Grünen-Politiker, wie ein uniformierter Polizeibeamter im Gespräch mit vier schwarz gekleideten Zivilisten am Rande der Demonstration forderte: »Jetzt machts doch endlich mal Zoff, dass was los ist.« Dem Beobachter waren die wie Autonome aussehenden Männer aufgefallen, weil sie alle die gleichen Mützen trugen. Durch Provokateure habe die Polizei die vorhergesagte Randale provozieren wollen, um sich nicht angesichts der friedfertigen Demonstranten zu blamieren, mutmaßte Monatzeder. Polizeipräsident Roland Koller wies diese Darstellung umgehend entrüstet zurück. Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) erklärte zum Demonstrationsverbot für das gesamte Münchner Stadtgebiet, die volle politische Verantwortung für »diesen schwer wiegenden Eingriff in die demokratischen Grundrechte« zu übernehmen. Da es keinen städtischen Geheimdienst gebe, habe er sich auf die Aussagen der Polizei verlassen müssen, wonach Tausende Gewalttäter auf dem Weg nach München seien. Ude, der sich zuvor bei der Polizei für ihren »sehr moderaten Einsatz« bedankt hatte, plädierte dafür, »als Lehre von 1968, als die Kommunikationsfähigkeit mit der jungen Generation abriss«, den Großteil der über 800 in Gewahrsam genommenen jugendlichen Demonstranten nicht weiter zu bestrafen. Eine solche Zusage wollten aber weder der Polizeipräsident noch Kreisverwaltungsreferent Wilfried Blume-Beyerlein geben. »Es handelte sich um ein politisch motiviertes Demonstrationsverbot, dass in Zeiten des Wahlkampfes vom Innenministerium, dem Verfassungsschutz, der Polizei und der Stadt München herbeigeführt und herbeigeredet wurde«, erklärte der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Siegfried Benker. Im Vorfeld des Demoverbots soll der bayerische Verfassungsschutz eine Schlüsselrolle gespielt haben. Nachdem bis wenige Tage vor der geplanten Großdemonstration keinerlei konkrete Erkenntnisse über geplante Gewalttaten vorlagen, informierte das Landesamt für Verfassungsschutz am Vormittag des 29. Januar, wenige Tage vor der NATO-Konferenz, die Münchner Polizei in einem Fax über die angebliche Anreise von bis zu 3000 in- und ausländischen Gewalttätern. Die Angaben beruhten auf angeblichen Erkenntnissen von V-Leuten innerhalb der autonomen Szene. Schon am Abend vorher hatte der Verfassungsschutz diese brisanten Informationen an die Presse weitergeleitet. Indem Öffentlichkeit und Polizei zeitgleich informiert wurden, sollte politischer Druck erzeugt werden, um ein Verbot der Demonstrationen zu erzwingen, schlussfolgert Benker. Dabei wies er auf Parallelen zum Weltwirtschaftsgipfel 1992 in München hin. Mit zum Teil identischen Überschriften hatte die Boulevardpresse auch damals vor schweren Ausschreitungen in der Münchner Innenstadt gewarnt und so die Stimmung für die Einkesselung und Festnahme Hunderter von Demonstranten vorbereitet. Mit seiner Aussage, im Internet würden linke Gruppen die »Entglasung« der Innenstadt androhen, habe sich Oberbürgermeister Ude an der Stimmungsmache gegen die Globalisierungsgegner beteiligt. Dass diese »Entglasung« frei erfunden sei, gebe selbst das Kreisverwaltungsreferat zu. Veranstaltungen des Bündnisses gegen die NATO-Sicherheitskonferenz im städtisch subventionierten Eine-Welt-Haus seien vom Kulturreferat verboten worden, obwohl die Polizei auf entsprechende Anfragen erklärt habe, es lägen keinerlei Erkenntnisse über strafbare Handlungen vor. Die Rechtshilfeorganisation Rote Hilfe hat unterdessen eine exemplarische Klage gegen den Polizeieinsatz am 1. und 2. Februar angekündigt. Zur Vorbereitung einer solchen Klage werden noch Z...

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