Verkaufen oder nicht verkaufen?

Kandidaten zur Oberbürgermeisterwahl diskutierten mit Gewerkschaftern

  • Wolfgang Rex, Schwerin
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.

Schwerin bekommt auf jeden Fall einen neuen Oberbürgermeister. Der bisherige steht nicht mehr zur Wahl. Die Gewerkschaft ver.di befragte in dieser Woche die aussichtsreichsten Kandidaten.

Wolfgang Radtke hat sich die Haare mit den Schweriner Stadtfarben schmücken lassen und zu einer Punkfrisur hochgekämmt. Er ist der Spaßkandidat für die Oberbürgermeisterwahl am 14. April in Schwerin. Trotz der auffälligen Frisur will niemand mit dem Punker reden. Auch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hatte nur die »ernsthaften« Kandidaten zur Diskussion mit Personal- und Betriebsräten über die Probleme der Landeshauptstadt eingeladen. Gerd Böttger (PDS) wird in Schwerin als Favorit gehandelt. Der Mann ist seit 1994 Landtagsabgeordneter, er wurde bereits 1990 in die Stadtvertretung gewählt. Seine wichtigsten Konkurrenten sind der Schweriner Baudezernent Axel Höhn (SPD) und Wirtschaftsdezernent Norbert Claußen (CDU). Die letzte Schweriner Kommunalwahl gewann die CDU (30,7 Prozent) knapp vor der PDS (30,0 Prozent), beide lagen deutlich vor der SPD (22.2 Prozent). Der CDU-Kandidat fasste die wichtigsten Vorgaben für die nächsten fünf Jahre zusammen. Die Stadtvertretung hat beschlossen, 250 Stellen in der Verwaltung abzubauen und 250 Millionen Mark mit dem Verkauf von Stadteigentum in die Kassen der Landeshauptstadt zu spülen. Diesen Beschluss werde der künftige Oberbürgermeister erfüllen müssen, so Claußen, egal, ob er von der PDS, der CDU oder der SPD komme. Derzeit weist der Stadthaushalt ein Defizit von 20 Millionen Euro auf. Allerdings erklärte PDS-Vertreter Böttger kategorisch, unter ihm werde es keine betriebsbedingten Kündigungen geben. In seiner Amtszeit werde auch das städtische Klinikum nicht verkauft. Er sei sich aber nicht sicher, ob Eigenbetrieb der Stadt die richtige Rechtsform für das Klinikum sei. Als Beispiel nannte der PDS-Politiker die Kindertagesstätten. Ursprünglich sollten alle Kitas an freie Träger (Kirchen, Arbeiterwohlfahrt und andere) übergeben werden. Böttger wünscht jedoch, dass Eltern ihre Kinder auch in eine kommunale Kita bringen können. Deshalb lobte er die Form einer gemeinnützigen GmbH, in die ein Teil der städtischen Kitas überführt wurde. Um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, müsse die Stadt zu Ausgaben bereit sein, erklärte Böttger. Etwa für den Vorruhestand von Beschäftigten oder für die Garantie bei älteren Arbeitnehmern, sie noch drei Jahre zu beschäftigen. CDU-Mann Claußen bezweifelt indessen, dass der Stellenabbau allein durch natürlichen Abgang, Vorruhestand oder ähnliche Mittel zu schaffen sei. Claußen kam 1990 aus Brunsbüttel bei Hamburg nach Schwerin. Das dürfte sein stärkster Nachteil bei der Wahl am 14. April sein. Zuletzt unterlagen in Mecklenburg-Vorpommern die Wahlbewerber mit West-Biographie. Claußen beklagte wie der PDS- und der SPD-Bewerber die schlechte Finanzlage der Stadt. Die verliere sogar noch an Einnahmen. Wenn 250 Millionen Mark durch den Verkauf von Stadteigentum aufzubringen seien, dann würde er auch an das Klinikum denken, sagte der CDU-Politiker. Der SPD-Kandidat Axel Höhn stammt wie PDS-Mann Böttger aus Sachsen-Anhalt. Der Baudezernent lobte den versteckten Verkauf, so das »Leasing-Modell« der städtischen Wohnungsgesellschaft. Die übergab Wohnhäuser im Stadtzentrum an private Unternehmer. Die sollen die Häuser sanieren und vermieten. Das habe der Wohnungsgesellschaft Geld gebracht und dennoch ihr Eigentum erhalten, so Höhn. Eine interessante, aber wohl aussichtslose Kandidatin ist Silke Gajek. Die in Schwerin Geborene trat im Herbst 2001 aus der Partei Bündnis 90/Die Grünen aus. Als Grund gab sie den Beschluss des Rostocker Parteitages zum Krieg gegen Afghanistan an. In Rostock hatte eine große Mehrheit der Grünen-Delegierten für den Wunsch von Außenminister Fischer gestimmt, den Bundeswehreinsatz in Afghanistan zu befürworten und auch in Kriegszeiten die Koalition mit der SPD fortzusetzen. Trotz ihres Austritts bewirbt sich Silke Gajek zur Schweriner Wahl für die Bündnisgrünen. Sie setzt auf den idealistischen Bürger, der lieber ein paar Mark mehr bezahlt, weil er Produkte aus der Region kaufen möchte. Vor den Gewerkschaftern erklärte Frau Gajek aber auch, dass sie im Fall Klinikum über alle Projekte diskutieren würde. Auch darüber, das Krankenhaus zu privatisieren. Der FDP-Kandidat Jan Szymik legte sich selbst eine schlechte Karte zu. Er sei mit 28 Jahren noch unerfahren in der Politik, bekannte er. Im Verlauf der Debatte hat der Architekt aber so viel gelernt, dass er am Ende der Veranstaltung das städtische Klinikum auch nicht privatisieren wollte. Personal- und Betriebsräte sind in Betrieben nun mal einflussreich. Die Gewerkschafter l...

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