Unbezahlte Arbeit nicht hinnehmen

Eine Kampagne will Strategien kollektiver Gegenwehr ausloten

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Kampagne »Keine Arbeit ohne Lohn« widmet sich der Organisierung von Praktikanten.

»Schuftest Du oder verdienst Du schon?« Diese Frage stellen sich immer mehr Menschen, die sich von einem un- oder schlecht bezahlten Praktikum zum nächsten hangeln. Als Generation Praktikum sind sie schon in die Literatur und ins Feuilleton eingegangen. Der Begriff vermittelt die – falsche – Vorstellung, dass davon vor allem junge Leute im Kulturbereich betroffen seien. Besonders im Bereich der Gastronomie und dem Einzelhandel aber auch im Verlagswesen nimmt die unbezahlte Arbeit in Form von Praktika und Probeschichten zu.

Die anarchosyndikalistische Freie ArbeiterInnen Union (FAU), eine kleine Gewerkschaft außerhalb des DGB, hat nun eine Kampagne ins Leben gerufen, die sich gegen derlei Ausbeutung richtet. »Keine Arbeit ohne Lohn« heißt das Projekt, bei dem es zunächst darum geht, Erfahrungen zusammenzutragen.

Einige Erfahrungsberichte liegen bereits vor. So habe beispielsweise die Kunstbedarfskette Boesner Ende 2006 und Mitte 2007 auf ihrer Webseite Stellen im Verkaufsbereich ausgeschrieben, sagt Kampagnenmitinitiator Matthias Schneider. Jobsuchende, die sich daraufhin bewarben, seien zu zweitägiger Probearbeit ohne Lohn eingeladen worden. Am Ende winkte nicht die begehrte Festanstellung, sondern das Angebot einer Teilzeitstelle auf 400-Euro-Basis.

Die Kampagne will Strategien der Gegenwehr ausloten: »Wir legen den Schwerpunkt auf die Selbstorganisierung der Beschäftigten«, betont Schneider, der sich gerade tiefere Einblicke in die Welt der Probeschichten und Praktika verschafft. Das ist gar nicht so einfach, wie er mittlerweile erfahren musste. Der Kontakt zu den Betroffenen bei Boesnser war zustande gekommen, weil die FAU dort schon länger mit Beschäftigten Kontakt hat. Doch viele Praktikanten und Absolventen von unentlohnten Probeschichten seien schwer zu erreichen, so Schneider.

Die Hoffnung auf den begehrten Job nach immer neuer Probearbeit spiele dabei eine große Rolle. »Wenn es dann wieder nicht geklappt hat, wird es in der Regel als individuelles Problem und persönliches Versagen wahrgenommen. Die Konsequenz ist dann häufig, sich das nächste Mal noch mehr anzustrengen, um vielleicht doch noch einen Job zu kriegen. Gegen dieses Denken wollen wir mit unserer Kampagne angehen«, betont Schneider. Unbezahlte Arbeit ist kein persönliches Problem ist und man kann sich dagegen wehren, lautet die Botschaft.

Mittlerweile wurde eine Homepage eingerichtet, auf der Erfahrungsberichte von Beschäftigten ohne Lohn gesammelt werden sollen. Als Orientierungshilfe wurde ein Fragebogen erstellt, der auf der Internetseite der Kampagne abgerufen werden kann »Es gab schon erste Reaktionen von Betroffenen.« Doch der Rückfluss sei noch bescheiden, so Schneider.

Allerdings würden sich vermehrt Praktikanten über die Kampagnen-Homepage nach rechtlichen Tipps erkundigt, mit denen sie gegen unbezahlte Arbeit vorgehen können. Dazu könnte ein Urteil des Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg beigetragen haben. Es gab vor einigen Wochen einer Frau Recht, die sechs Monate als Praktikantin bei einer Veranstaltungsagentur gearbeitet hatte. Die Firma muss ihr jetzt mehrere Tausend Euro Lohn nachzahlen.

www.keine-arbeit-ohne-lohn.de

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