Aufbegehren

Zum 50. Todestag von Hans Grundig

  • Harald Kretzschmar
  • Lesedauer: 4 Min.

An manche Künstler muss man fünfzig Jahre nach ihrem Tod nicht mehr erinnern – sie sind bekannt, werden jederzeit in Museen präsentiert, man schreibt über sie Dissertationen und man hält Vorträge über sie. Andere sind fast vergessen. Gerechtigkeit als Folge von solider Analyse von bleibenden Leistungen sucht man da vergebens. Aktuelle Trends bestimmen zu sehr, was als bleibend angesehen wird und was als vergänglich.

Das bedenkend, und Bilder und Grafiken Hans Grundigs betrachtend, wird einem das besonders schmerzlich bewusst. Der da am 19. Februar 1901 in Dresden geboren war und nach zu kurzem, über Strecken leidensvollem Leben bereits am 11. September 1958 dort gestorben ist, ein Vergessener? Die Museen seiner Stadt tun sich zur Zeit schwer mit ihm, nachdem er mit seiner Frau Lea Grundig zusammen als »proletarisch-revolutionärer« Bannerträger allzu lange in einer bestimmten politischen Ecke abgestellt war. Das wurde ihm damals schon nicht gerecht. Dass man heute die tiefe Menschlichkeit seiner Haltung und die daraus resultierende künstlerische Leistung immer noch nicht zu würdigen weiß – umso schlechter.

Hans Grundig war seiner Zeit sehr wohl verhaftet, er konnte ihren Konflikten so wenig entrinnen wie seine Dresdner Malerfreunde Otto Dix und Wilhelm Lachnit, Otto Griebel und Fritz Skade. Sie bildeten schon zu Zeiten ihres Studiums an der Kunstgewerbeschule, dann der Akademie in Dresden einen linken Flügel in der Kunstszene. Grundig, bei Carl Rade, Otto Gussmann und Otto Hettner solide ausgebildet, zeichnete und malte mit Hingabe das ihm von Kindheit an vertraute proletarische Milieu. Seit 1928 mit der aus jüdisch-bürgerlichem Haus stammenden Lea Langer verheiratet, engagierten sich beide sehr wohl politisch für eine soziale Kunst. Immer mit der Betonung auf dem Wort Kunst – das vergisst man leicht. Auch der von ihm mitgegründeten ASSO (Assoziation revolutionärer bildender Künstler Deutschlands) ging es in erster Linie um enge Kollegialität und künstlerische Wirksamkeit.

Das sahen die in Dresden besonders agilen Gegner dieser linken Szene anders. Da wurde nicht lange gefackelt mit »Kunstdisput«, da wurde 1934 Berufsverbot verhängt, 1936 verhaftet und 1938 ins Konzentrationslager gesteckt. Und 1944 zum Kriegsführen benutzt – mit dem Ergebnis sofortiger Desertion. 1946 mit dem Rektorat der Dresdner Kunsthochschule betraut, war Hans Grundig ein allseits beliebter Hoffnungsträger. Er wirkte ausgleichend inmitten der Eiferer des immer wieder »Neuen«. Bald aber musste er schon monatelang zur Tbc-Kur. An den im KZ zugezogenen Krankheiten laborierte der gesundheitlich schwer Angeschlagene bis an sein Lebensende.

War schon die künstlerische Produktivität in den Jahren der Verfolgung erstaunlich gewesen – immerhin war er ja noch einer der »Jungen« gewesen –, so raffte er sich nun immer wieder zu Bildkompositionen wie »Den Opfern des Faschismus« und vor allem zu grafisch-illustrativen Zyklen auf. War er in den dreißiger Jahren mit seinem 50 Blätter umfassenden Kaltnadelzyklus »Tiere und Menschen« zu einem ausdrucksstarken satirischen Radierer geworden, so zeichnete er nun witzig-pointiert zu Adolf Glassbrenner, Auguste Lazar und Franz Fühmann, als ihm das Stehen vor der Staffelei zunehmend schwer fiel.

Sucht man heute nach künstlerischen Zeugnissen des Widerstandes gegen die Hitlerbarbarei, kann man guten Gewissens nicht an malerischen Leistungen wie dem Triptychon ( plus Predella) »Das Tausendjährige Reich« (1935 - 1938) vorbeigehen. Die symbolistische Bildsprache der ins Fantastische gesteigerten Komposition widerlegt eine Einordnung in die Schublade »Sozialistischer Realismus«. An dieser Uminterpretierung der satirisch böse und bissig akzentuierten Kunst ihres Mannes ist leider Lea Grundig nicht ganz unschuldig gewesen. In der ironischen Verfremdung gesellschaftlicher Phänomene gerade in der grafischen Kunst war Hans seiner geliebten Lea eindeutig überlegen. Seine geistreichen Paraphrasen zu den Versen von François Villon wären von ihrer Hand kaum denkbar gewesen. Sie sind nach wie vor eine Augenweide für jeden Bibliophilen.

In der Kunstgeschichtsschreibung der Malerei allerdings werden solcherart Ausflüge ins Fabulieren mit der scharfen grafischen Nadel gar nicht so gerne gesehen. Das Aufbegehren gegen das soziale und politische Übel ist da weniger beliebt als das gegen erstarrte formale Konventionen. Da ist Grundig dann weniger interessant. Und da er sich obendrein mit dem gar nicht braven autobiografischen Roman »Zwischen Karneval und Aschermittwoch« 1955 literarisch ein Denkmal gesetzt hat, ist er noch schwerer einzuordnen. Historiker sollten öfter einmal in solche Bücher gucken, falls sie Atmosphärisches statt Deklamatorisches suchen. Wenn ein Maler und Zeichner schreibt, ist das bildhaft. Bei Hans Grundig allemal.

Die Ladengalerie Karoline Müller, Drontheimer Str. 34, 13359 Berlin, zeigt Mappen mit den Kaltnadelradierungen Hans Grundigs aus den 30er Jahren. Bis 11.Oktober, Di-Do, 10-18 Uhr.

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