Klare Abmachung mit den US-Partnern

Ein ehemaliger BND-Agent traut seinem »Laden« auch in Sachen Irak nicht über den Weg

  • Lesedauer: 4 Min.
Als »Dali« war Wilhelm Dietl (geb. 1955) für den BND der wohl wichtigste Mann im Nahen und Mittleren Osten. Als es zu »Unstimmigkeiten« kam, verbrannte man den eigenen Agenten bei seinen Focus-»Kollegen«. Seither ist Dietl (www.wilhelm- dietl.de) ein umso genauerer Beobachter der deutschen Geheimdienstszene.
Klare Abmachung mit den US-Partnern

ND: Oberstleutnant Rainer Mahlstett und Regierungsoberinspektor Volker Hildebrandt, der eine Luftwaffenmann, der andere eine Art ziviler Oberleutnant, doch immerhin Fallschirmjäger, wurden in den Krieg geschickt. Mit falschen Namen und Legenden. Glauben Sie, man hat die beiden deutschen Geheimdienstler in Bagdad zurückgelassen, nur um den Zerstörungsgrad von Bomben zu begutachten?
Dietl: Mit Sicherheit nicht. Das war eine ganz klare Abmachung mit den Amerikanern. Und – nennen wir es beim richtigen Namen – es war ein wesentlicher Bestandteil der deutschen Beteiligung an diesem Krieg.

Den wir doch so sehr abgelehnt haben ...
Der BND ist ja bekanntermaßen wenig risikofreudig. So war es zu meiner Zeit, und ich glaube nicht, dass sich daran etwas geändert hat. Im Zweifel tut der BND lieber nichts. Ich habe das in anderen Kriegen erlebt, in Beirut oder in Afghanistan. Der BND hat am liebsten »freie Mitarbeiter« in die Gefahrengebiete geschickt, weil die »IM« nicht gedeckt werden mussten. Wer jedoch in dieser Situation – in Zeitungen stand schon, Bagdad werde das Stalingrad des Irak – »Festangestellte« in die Schlacht schickt, der musste schon ein wichtiges Motiv haben.

Man musste so gut es ging die US-Amerikaner besänftigen. Der deutsche Bundeskanzler hatte von Anfang an erklärt – Sie erinnern sich an die historischen Sätze des Gerhard Schröder – dass Deutschland sich an diesem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg nicht beteiligen werde. Also mussten wir irgend etwas heimlich tun, damit Washington nicht in eine antideutsche Rhetorik verfällt. Dazu gehörte unsere Bereitschaft, von Anfang an in Afghanistan dabei zu sein oder auch am Horn von Afrika. Und dazu gehörte auch diese Kundschafterfunktion in Bagdad.

Wenn man die Situation von CIA und der militärischen-geheimdienstlichen Schwester DIA in Irak betrachtet, dann wird klar: Die hatten seit dem Abzug der UN-Inspektionsteams, die Massenvernichtungswaffen finden sollten, keine Leute mehr vor Ort ...
Die US-Agenten waren in den Reihen der UN zu finden. Nehmen Sie Scott Ritter, der dann die Seiten gewechselt hat. Als die rausgezogen wurden, hatten die US-Dienste niemanden mehr im Land, schon gar keine Quellen, die man auch im Kriegsfall ansprechen und verwenden kann. Seit dem ersten Irak-Krieg waren die USA – salopp gesagt – draußen. Sie dachten, sie könnten alles per Satellit unter Kontrolle halten und haben diesen Irrtum bereut.

Deutschland dagegen hatte immer erstklassige Quellen in Irak.
Oh ja, es gab eine Residentur des BND in der Botschaft, ich kenne frühere Residenten und weiß aus ihrem Mund, dass es enge Beziehungen zur Familie von Saddam Hussein gab. Wir waren höchst angesehen, deutsche Firmen galten als willkommen in Irak. Die Iraker sind außerordentlich deutschfreundlich. Also waren die Bedingungen für den BND bestens.

Zumal wir ja auch Spitzenkräfte ausgebildet haben, gerade im Sicherheitsbereich. Die Konkurrenz zur DDR hat die alte BRD ja geradezu angestachelt ...
Es gab eine üppige Polizeiausbildung. Ich kann mich auch an den Besuch des stellvertretenden irakischen Innenministers in München erinnern, der dann sehr freimütig und ohne jede Genehmigung Waffen eingekauft hat. Der damalige BND-Chef Kinkel deckte alles. Es gab diverse Ausrüstungshilfe. Hier in München lebte ein legendärer Iraker, der in Wirklichkeit Oberst in einem irakischen Geheimdienst war. Als Vertrauensmann des BND wurde er sehr gern als Gesprächspartner empfangen. Später erpresste er dann eine Firma und wurde verurteilt. Die Strafe saß er in Landsberg ab, ich war dabei, als er freikam. Heute lebt er in Österreich.

Liegt man falsch, wenn man behauptet, dass die zwei BND-Leute nicht nur die Koordinaten von irakischen Offiziersklubs weiter gaben, sondern vor allem Kontakt zu Quellen aufrecht erhielten?
Mit Sicherheit hatten sie solche Kontakte. Das war das A und O ihrer Arbeit. Bevorzugt wurden Staatsdiener des damaligen Regimes angesprochen.

Früher scheuten die US-Dienste den Kontakt zum BND. Da können wir ja gleich mit Moskau reden, hieß es. Das hat sich geändert?
Sicher, die Kontakte zur »Hortensie« (Deckname des BND für die CIA, d.R.) waren seit Gehlen immer sehr eng. Doch wenn es um militärische Dinge ging, dann wurde immer der kurze Draht zur DIA, dem Pentagon-Geheimdienst, genutzt.

Denen hat man ja auch »Curveball« nahegelegt.
Ein übles Kapitel, dieser angebliche Überläufer aus Irak, der offenbar die ganze Geschichte mit den mobilen Biowaffenfabriken, die die USA vor der UNO als Kriegsgrund ausgebreitet haben, erfunden hat...

Hat der BND also nur Lohnarbeit für die US-Angreifer angenommen?
Nein, das ist eine Form des ganz normalen Austausches, an der jede Seite ein vitales Interesse hat.

Die beiden BND-Mitarbeiter, die da in Bagdad waren, mussten wissen, dass alles, was sie mitteilten, unmittelbar an die USA floss?
Sicher.

Die BNDler bekamen Obdach in der französischen Botschaft. Dort musste man wissen, wen man da beherbergt und was die tun?
Kein Zweifel.

Ihre Prognose – was wird der Untersuchungsausschuss zutage fördern?
Wollen Sie die Antwort wirklich hören ...?!

Fragen René Heilig

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