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Ordnungsrahmen für Finanzmärkte

Nach der Nothilfe für Banken steht nun eine nachhaltige Stabilisierung der Realwirtschaft an

  • Dierk Hirschel
  • Lesedauer: 5 Min.
Das Nothilfepaket ist geschnürt. Mit Garantien, Verstaatlichungen und dem Aufkauf von Schrottpapieren soll der Kollaps der Finanzmärkte verhindert werden. Der Staat soll das verlorengegangene Vertrauen der Banken wiederherstellen. Jetzt hoffen alle, dass die Medizin auch wirkt.
Unser Autor ist Chefökonom des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).
Unser Autor ist Chefökonom des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).

Die Nothilfe war und ist alternativlos. Kritikwürdig ist jedoch, dass das Prinzip »Hilfe nur für Gegenleistung« nicht konsequent umgesetzt wurde. Öffentliches Geld sollte es grundsätzlich nur gegen Eigentumsrechte geben. Zudem fehlt bis heute ein öffentliches Konjunkturprogramm, um die Folgen der Finanzmarktkrise für Unternehmen und Arbeitnehmer abzufedern.

Während der Rettungseinsatz läuft, rückt der politische Streit in den Hintergrund. Anschließend müssen aber die Lehren aus der Krise gezogen werden. Nie wieder dürfen Banker, Broker und Vermögensverwalter in die Lage versetzt werden, die Jobs und den wohl verdienten Lebensabend von Millionen hart arbeitender Menschen zu gefährden. Doch was heißt das konkret?

Spekulationsblasen gehören nun einmal zur Anatomie des modernen Kapitalismus. Ihre Häufigkeit und Größe hängen aber vom staatlichen Ordnungsrahmen der Finanzmärkte ab. Der Zufluss in die Spekulation speist sich u. a. aus der Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums. So geht das 140 Billionen US-Dollar schwere weltweite Finanzvermögen auch auf sinkende Steuern für Reiche, die Privatisierung sozialer Sicherung sowie eine chronische Lohnschwäche zurück. Allein hierzulande bescherte die Senkung des Spitzensteuersatz den 826 000 deutschen Millionären ein zusätzliches Nettoeinkommen von über 100 000 Euro pro Kopf. Gewinn- und Vermögenseinkommen stiegen von 2000 bis 2007 fast siebenmal so stark wie Löhne und Gehälter. In diesem Zeitraum fielen über zwei Drittel des Volkseinkommens – 219 Milliarden Euro – an die Unternehmer und Vermögensbesitzer. Die deutsche Lohnquote befindet sich auf einem Tiefststand. Diese massive Umverteilung erhöhte die Einsätze im globalen Casino. Nur ein politischer Kurswechsel und eine offensive Tarifpolitik können diesen Trend künftig stoppen.

Zentral ist aber auch ein neuer Ordnungsrahmen für die Finanzmärkte. Wir brauchen mehr Prävention, eine bessere Haftung, mehr Mitbestimmung und eine stärkere Langfristorientierung des Wirtschaftens. Das neue Regelwerk sollte die Finanzierung langfristiger Realinvestitionen fördern und kurzfristige Spekulation diskriminieren.

Mehr Vorbeugung bedeutet zunächst eine bessere Bankenregulierung. Banken sollen sich wieder auf ihr Kerngeschäft konzentrieren: die Kreditversorgung der Realwirtschaft. Deshalb muss der Sumpf der Schattenbanken und Steueroasen trockengelegt werden. Des Weiteren brauchen wir einen TÜV für Finanzmarktprodukte. Kredite an Heuschrecken und das gesamte Verbriefungsgeschäft müssen künftig mit mehr Eigenkapital unterlegt werden. Auch die Frühwarnsysteme müssen gründlich renoviert werden: Eine »Schufa für Banken« – ein internationales Kreditregister – hilft, Kreditrisiken rechtzeitig zu erkennen. Darüber hinaus brauchen wir eine europäische Ratingagentur.

Um die Haftung zu verbessern, sollten die europäischen Privatbanken aus eigenen Mitteln einen Haftungsverbund finanzieren. Dieser Verbund würde kriselnden Wettbewerbern unter die Arme greifen. Damit haften die Banken für ihr eigenes Verhalten und nicht die europäischen Steuerzahler. Aber auch die individuelle Managerhaftung muss neu geregelt werden.

Zudem brauchen wir ein Mehr an Mitbestimmung. Der Aktionär darf nicht mehr im Mittelpunkt der Unternehmenspolitik stehen. Folglich muss die Unternehmensmitbestimmung jetzt ausgebaut werden. Dies stärkt gleichzeitig eine nachhaltigere Ausrichtung der Unternehmenspolitik. Letztere kann auch durch goldene Aktien – Beispiel VW-Gesetz – sowie ein Verbot von Aktienoptionen und eine Beschränkung von Aktienrückkäufen gefördert werden. All dies behindert die Shareholder-Value-Orientierung. Last but not least brauchen wir aber auch eine europäische Steuer auf Finanztransaktionen. Alle Kaufkontrakte mit Wertpapieren und Devisen sollten mit 0,01 Prozent besteuert werden. Eine solche Steuer verteuert die Spekulation und sorgt dafür, dass die Verursacher der Krise den öffentlichen Rettungseinsatz bezahlen.

Dieser neue Ordnungsrahmen verhindert nicht, dass wieder Spekulationsblasen entstehen. Wir vermindern aber das häufige Auftreten und unkontrollierte Wachsen dieser Blasen. Im Mix mit einer anderen Verteilungspolitik würde die wirtschaftliche Entwicklung zukünftig stabilisiert.


Das Paket

Finanzvolumen: Rund 400 Milliarden sollen für Garantien für Geschäfte zwischen den Banken zur Verfügung stehen, bis zu 80 Milliarden für Kapitalhilfen. Dazu kommen 20 Milliarden als Vorsorge für mögliche Garantieausfälle. Zur Finanzierung und Absicherung wird ein »Finanzmarktstabilisierungsfonds« gegründet. Für dieses Sondervermögen haftet der Bund.

Garantien: Der Staat bürgt für Geschäfte zwischen den Banken. Dies soll dabei helfen, dass sich die Institute wieder untereinander Geld leihen. Der Staat tritt wie eine Versicherung auf und erhält eine Gebühr von etwa zwei Prozent der garantierten Summe. Die Regierung erwartet, dass nur fünf Prozent der Bürgschaften fällig werden.

Kapitalhilfen: Aus dem Fonds können den Banken vorübergehend Kapitalhilfen zur Verfügung gestellt werden. 70 Milliarden Euro werden zunächst in den Fonds eingestellt, weitere 10 Milliarden stehen als Reserve zur Verfügung. Im Gegenzug für Hilfen kann der Fonds etwa Aktien des Unternehmens erhalten.

Risikopapiere: Der Fonds kann riskante Papiere der Banken aufkaufen oder anders absichern.

Bilanzierungsregeln: Banken können bestimmte Werte in ihren Bilanzen neu bewerten. Dies gilt in Fällen, in denen der sonst übliche Marktwert aufgrund der Finanzkrise von tatsächlichen Werten zu sehr abweicht.

Gegenleistung: Banken, die Hilfen in Anspruch nehmen, müssen die Vergütung ihrer Topmanager begrenzen – im Gespräch sind 500 000 Euro im Jahr – und gewährleisten, dass kleine Unternehmen Kredite bekommen. Auch bei Dividendenzahlungen sind Auflagen möglich.

Zeitrahmen: Das Gesetz soll ab Montag gelten. Bis Ende 2009 kann der Fonds Garantien für drei Jahre vergeben. Papiere der Unternehmen, die eine Kapitalhilfe vom Bund erhalten haben, kann der Fonds verkaufen, wenn die Lage dafür günstig ist.

Länder: Wenn der Fonds aufgelöst wird, beteiligen sich die Länder mit 35 Prozent, aber höchstens 7,7 Milliarden Euro, an eventuellen Verlusten.
AFP

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