Klasse und Kasse dank Masse

Seit zehn Jahren gibt es die Filmproduktionsfirma »teamWorx«

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 4 Min.

Der große alte Purist im deutschen Medienzirkus hat gesprochen. »Blödsinn!« Clowns, Unsinn, Dreck, legte Marcel Reich-Ranicki am Abend nach der Fernsehpreisverleihung vor geladenen Gästen noch oben drauf und sah das Publikum behandelt, als sei es eine »Ansammlung von Idioten«. Wenn Intellektuelle so vehement aufs Leitmedium (ja: noch vor der »Bild«-Zeitung) schimpfen, schalten die Verantwortlichen gern auf Durchzug. Lass Sie doch quatschen, wir wollen die Quote.

Die Quote, jenes ominöse Zuschauerkonzentrat, sie ist auch Nico Hofmanns Lebenselixier. »Dazu stehe ich auch«, sagt Deutschlands derzeit einflussreichster TV-Produzent. Und dennoch sähe seine Reaktion wohl doch ein wenig anders aus, würde er sich mit Reich-Ranickis Generalabrechnung vom Monatsbeginn auseinandersetzen. »Mich berührt jede einzelne Kritik«, kommentiert er das, wovon er mehr als genug erntet. Schließlich möchte er sich keineswegs nur über seine vielen schillernden Blockbuster – die Dresdens, Tornados, Sturmfluten oder Luftbrücken – definiert sehen. Ihm liegen auch all die kleineren Projekte schwer am Herzen: Theaterverfilmungen für arte zur Nacht, Debüts hoffnungsvoller Nachwuchsregisseure, das leise, das dezidierte, das bedächtige Couchkino. Denn keine Frage: All dies hat teamWorx gemacht und sich dadurch zur Talentschmiede des deutschen Filmnachwuchses gemausert. Und das ist trotz des erfolgreichen Sendeschrotts, den uns Nico Hofmanns rasch wachsendes Unternehmen in den zehn Jahren seines Bestehens auf den Bildschirm gekippt hat, aller Ehren wert.

Vor genau zehn Jahren wurde teamWorx gegründet. Auch wenn die offizielle Party erst nächstes Jahr stattfindet, im ganz großen Stil, wie die Geschäftsführung ankündigt, mindestens mit Rosenstolz, die erst dann Zeit haben, darf die Branche schon heute ein bisschen feiern. Über einen echten Quantensprung, den teamWorx zu verantworten hat. Nicht allein, nicht exklusiv. Und vermutlich wäre früher oder später jemand anderes gekommen, um ihn zu vollziehen. Aber es war eben ein kleiner Neuling mit Sitz in Berlin-Mitte, der vor drei Jahren das Fernsehen auf Kinoniveau gehoben hat. Zehn Millionen Euro hatte Hofmann damals in sein Lieblingsprojekt »Dresden« gesteckt, den Untergang des alten Elbflorenz, ebenso blutig wie bildgewaltig in Szene gesetzt von Roland Suso Richter. Seither orientieren sich »Events«, so der szenegängige Titel derart überteuerter Mammut-Produktionen, finanziell an der Acht-, quotenmäßig an der Neunstelligkeit. Und weil die Sender nicht mehr als 50 Prozent der Herstellungskosten abdecken, hat Hofmann zudem die internationale Vermarktbarkeit auf ein neues Niveau gehievt. Denn als Nico Hofmann – vor zehn Jahren ein hoffnungsvoller Regisseur preisgekrönter Streifen wie »Land der Väter, Land der Söhne« oder »Der Sandmann« – ins Produzentenfach wechselte, gab es durchaus zwischenstaatliche TV-Produktionen. Nicht aber auf so hohem Niveau, selten in Kooperation mit dem wichtigen angelsächsischen Raum und falls doch, gewiss nie unter deutscher Federführung.

Genau das sich im Jubiläumsjahr. Mit »Laconia«, einem Schiffsdrama aus dem Zweiten Weltkrieg, hat teamWorx eine Zusammenarbeit in leitender Funktion mit der mächtigen BBC aus London vereinbart. Und seit der globalen Beachtung von »Dresden« und dem Ostpreußen-Epos »Die Flucht« wurden auch die USA auf die Hollywoodschmiede made in Germany aufmerksam. Und Vorabverkäufe in mehrere Dutzend Länder bis hin nach Südasien sind längst Teil der Finanzkalkulationen. Schließlich schaffte es ein Film wie »Stauffenberg« schon vor vier Jahren in 82 Länder. Daran misst sich teamWorx auch 2009.

Helmut Kohls Leben wird verfilmt und das von Bernhard Grzimek, die Hindenburg geht mal wieder zu Boden und Erwin Rommel in den Freitod, dazu jüngere deutsche Geschichte (Mogadischu, Dutschke) und fiktive von morgen (Die Grenze), Katastrophenfilme, Telenovelas, Krankenhausserien, Krimireihen und natürlich mindestens ein Film (Die Patin) mit Veronica Ferres. Das zahlt sich immer aus.

Gerade wurde »Das Wunder von Berlin« in den USA für den »Emmy« nominiert. Eine Trophäe mehr in Hofmanns gut gefüllter Vitrine. Rund 140 größere Produktionen hat sein Unternehmen seit 1998 gemacht. Jahr für Jahr kommen – Serienepisoden und Werbefilme inklusive – 50 weitere hinzu. Mit hohem zweistelligen Millionenumsatz ist teamWorx zwar noch kein Global Player wie die 100-prozentige teamWorx-Besitzerin Ufa oder deren Muttergesellschaft Bertelsmann, aber im Bereich Event-Produktionen, so schwammig der Begriff auch sein mag, gilt das Geburtstagskind europaweit als führend. Dabei ist sein größtes Potenzial – die deutsche Historie – längst nicht ausgereizt. Im Gegenteil, sagt Hofmann, »das Dritte Reich kommt gerade in neue Erzählstrukturen hinein«, feinere nämlich, persönlichere. Nicht anders verhielte es sich mit der DDR-Geschichte. Das verkauft sich auch im Ausland bestens. Es scheint, als würde noch manch Trümmerfrau zwischen zwei Männern zur Heldin. Und mancher Mauer-Tote erzählen.

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