Tusks Stolz – der Polen Scham

Nach dem Rückzug aus Irak verstärkter polnischer Einsatz am Hindukusch

  • Julian Bartosz, Wroclaw
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach Ende ihrer fünfjährigen Teilnahme am Irakkrieg soll sich Polens Armee nach dem Willen der Regierung verstärkt in Afghanistan engagieren.

1600 polnische Soldaten sind bisher im Einsatz am Hindukusch. Verteidigungsminister Bogdan Klich besuchte am Wochenende die Basis des polnischen Korps in der afghanischen Provinz Ghazni, die den NATO-Verbündeten gerade von den abgerückten US-Amerikanern anvertraut wurde. Die Polen sollen dort die Straße zwischen Kabul und Kandahar sichern. Klich versprach, dafür weitere 15 russische Hubschrauber anzukaufen, die sich bereits bei der sowjetischen Intervention in den 80er Jahren bewährt hätten. Auch soll die polnische Truppe um weitere 500 Soldaten aufgestockt werden.

Das ist ganz im Sinne von Ministerpräsident Donald Tusk, der in der vergangenen Woche bei einem Staatsakt in Szczecin die letzten Irak-Heimkehrer begrüßt hatte. Außer Vertretern aller Einheiten, die am Irakkrieg teilgenommen hatten, waren auch Witwen und Eltern von über 20 Soldaten anwesend, die – wie der Premier sagte – ihr Leben fürs Vaterland ließen. Er sei stolz auf die in Irak vollbrachten Leistungen, und nicht nur er: »Stolz sind wir alle, das Volk«, unterstrich der Premier. Denn die insgesamt 15 000 polnischen Soldaten hätten den Irakern deren Heimat sicherer als je zuvor zurückgelassen. Und wenn es darauf ankomme, werde das Wojsko Polskie im Interesse des Vaterlandes auch künftig an schwierigen Missionen teilnehmen.

In einem Brief bedankte sich auch der nicht anwesende Staatspräsident Lech Kaczynski für den »tapferen Einsatz«. Die Mission habe für Polen einen tieferen Sinn gehabt, schrieb er: »Ihr habt den Irakern Frieden und eine bessere Zukunft gesichert.«

Jerzy Szmajdzinski, ein führender Funktionär des Bündnisses der Demokratischen Linken und zur Zeit des Beginns der polnischen Teilnahme an der Aggression Verteidigungsminister, meinte in einem Interview für die »Gazeta Wyborcza«, die polnischen Soldaten hätten auf der »guten Seite« gestanden. Auch Polen sei durch den Einsatz sicherer geworden. Bei den Verbündeten gälten sie nun als zuverlässiger.

Die einzige alternative publizistische Stimme war die von Zygmunt Slomkowski in »Trybuna«. Nach fast fünf Jahren, schrieb er, »wurde der Wille einer großen Mehrheit unseres Volkes erfüllt, die von Anfang an gegen diesen Krieg war. Indem sich Polen auf die Seite der USA schlug und als einer der Polizisten unter dem Sternenbanner erschien, hat sich unser Land faktisch zur Anwendung von Gewalt bekannt. Von Anfang wurde der polnische Einsatz mit Lügen begründet. Um ihr Gesicht zu wahren, behaupten die Politiker nun, die in Irak gesammelten Erfahrungen seien nützlich für die künftige Berufsarmee.« Noch schärfer die Reaktionen auf die Rede des Premiers in den Internetforen. Zwei Beispiele: »Herr Tusk, welcher Teufel hat Sie geritten, von Stolz zu quasseln?« – »Wir alle müssen uns schämen, nicht nur des Krieges wegen, sondern auch dafür, dass wir solche Politiker haben!«

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