Neues aus dem Süden

Lateinamerika ist für viele Linke der Beweis, dass es Alternativen gibt

  • Harald Neuber, Mannheim
  • Lesedauer: 3 Min.
Auf einer Konferenz in Mannheim wurde am Wochenende diskutiert, was soziale Bewegungen in Europa von Lateinamerika lernen können.

Zu einem Treffen sozialer Bewegungen aus Lateinamerika und Deutschland hatte am Wochenende das globalisierungskritische Netzwerk Attac eingeladen und rund 500 Aktivisten aus beiden Kontinenten waren gekommen. Eine Waldorfschule am Rande Mannheims wurde so von Freitag bis Sonntag zum Ort intensiver Debatten um die Erfahrungen beider Regionen im Kampf gegen die neoliberale Misswirtschaft. Besonders die lateinamerikanischen Gäste hatten viel beizutragen. »Die Idee für das Treffen ist während der Arbeit an dem Text ›Vom Süden lernen‹ entstanden, der von der Lateinamerika-AG von Attac publiziert wurde«, sagte die argentinische Medienaktivistin Viviana Uriona, die Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Netzwerks ist. Der Titel des Buches hätte auch das Motto für das Mannheimer Treffen sein können. Der Kongress war auch ein klarer Appell gegen den im Umgang mit den Ländern des Südens oft noch vorherrschenden Eurozentrismus.

Dass es von Lateinamerika viel zu lernen gibt, zeigte sich in fast allen Debatten. Kerstin Sack vom Attac-Koordinierungsrat leitete am Samstag ein Forum zum Thema soziales Eigentum. In Kuba sei der Anteil daran groß, in Venezuela nehme er zu und in Europa angesichts der andauernden Privatisierungspolitik ab, hieß es in der Einleitung zu der Arbeitsgruppe, an der unter anderem Darío Machado von der Universität Havanna teilnahm. »In den Diskussionen wurde schnell deutlich, dass es mit staatlicher Kontrolle von Ressourcen und Produktionsmitteln alleine nicht getan ist«, sagte Sack gegenüber dem ND. Mindestens ebenso wichtig sei die demokratische Kontrolle der Wirtschaft. Erst durch sie könne auch in Lateinamerika vermieden werden, dass aus ursprünglich progressiven Prozessen neue Eliten entstehen, resümierte die deutsche Aktivistin, um darauf zu verweisen, dass auch deutsche Landesverfassungen etwa die des Saarlands Verstaatlichungen erwägen. Auch die Satzung der IG Metall setze in einem der ersten Artikel den Kampf um Verstaatlichung der Schlüsselindustrien zum Ziel. An der ökonomischen und sozialen Realität in Deutschland änderten beide Papiere jedoch nichts.

Dass Papier geduldig ist, wurde auch im Forum über alternative Presse schnell deutlich. Hier verwies der langjährige ARD-Journalist Ekkehard Sieker auf die Grundsätze öffentlich-rechtlicher Medien in Deutschland. Trotz hoher ethischer Standards habe sich deren Programm seit Mitte der 1990er Jahre immer stärker an das niedrige Niveau privater Sender angepasst, beklagte Sieker. Eine bedenkliche Entwicklung, wie der Blick nach Lateinamerika zeigt. Boliviens Botschafter Walter Prudencio schilderte, wie in seinem Land private Medienkonzerne einen wahren Propagandakrieg gegen die sozialistische Regierung von Präsident Evo Morales führen. Diese wehrt sich mit der Förderung alternativer Radios, etwa der in Bolivien traditionsreichen Sendestationen der Minenarbeiter. Auf beiden Kontinenten sei es wichtig, so die einhellige Meinung, alternative Medien an der Arbeit sozialer Bewegungen zu orientieren. Ebenso aber müssten bestehende Redaktionen, gerade die des öffentlich-rechtlichen Sektors, in die Pflicht genommen werden, gemäß ihrer Selbstverpflichtung »wahrhaftig« zu berichten.

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