Der Wunschpräsident der Welt

Im Ausland hofft man vor allem auf eine Niederlage des Republikaners John McCain

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 6 Min.
Geht es nach den Sympathiewerten im Ausland, dürfte es nur einen Wahlsieger geben: Barack Obama. Doch auch mit einer neuen Führung in den USA drohen Konflikte.

Großes plant man im westkenianischen Kisumu. Der beschauliche Provinzflughafen soll ausgebaut werden, um tauglich zu werden für eine bestimmte Maschine: die »Air Force One« des USA-Präsidenten. Denn wenn Barack Obama heute gewinnt, dann will man bereit sein, um ihn irgendwann auch mal in der Heimat seines verstorbenen Vaters am Ufer des Viktoria-Sees zu begrüßen. Und dass der demokratische Kandidat ins Weiße Haus einziehen möge, das wünschen sich nicht nur die Menschen in und um Kisumu. Wohl noch nie zuvor haben US-amerikanische Präsidentenwahlen derart große Erwartungen und Hoffnungen in Afrika ausgelöst, so Beobachter. Auch die arabische Welt verspricht sich einiges von einem Präsidenten Obama, nicht nur wegen seiner muslimischen Vorfahren väterlicherseits. Viele glauben vor allem auch, er würde den Irak-Krieg schneller beenden als der Konservative John McCain, der als Erbe des verhassten Amtsinhabers George W. Bush gilt. Die auflagenstarke saudische Zeitung »Al-Watan« sagt für den Fall eines Wahlsiegs von McCain sogar neue Kriege voraus.

In Moskau, wo man in der Vergangenheit eigentlich mit den Republikanern im Weißen Haus meist besser konnte, wirft man McCain vor, »die alten Schlachten zu schlagen, ohne die großen Unterschiede zwischen der Sowjetunion und dem heutigen Russland zu sehen«, wie es Konstantin Kossatschow, außenpolitischer Sprecher der Staatsduma, formulierte. Die jüngste Kaukasus-Krise hat die antirussischen Vorbehalte des Senators wieder deutlich werden lassen. Seine vorbehaltlose Unterstützung für Georgien führte dazu, dass die Regierung in Tbilissi zu den wenigen in der Welt zählt, die sich öffentlich zu McCain bekennt.

Umfragen des Gallup-Instituts in 69 Ländern ergaben, dass der Republikaner daneben lediglich in den Philippinen, Kambodscha und Laos eine Mehrheit fände und nur in Litauen, Lettland und Polen auf ein knappes Rennen hoffen dürfte. Das britische Marktforschungsunternehmen YouGov hat aktuell 22 000 Menschen in 14 europäischen, arabischen und amerikanischen Ländern befragt. Der repräsentativen Erhebung zufolge findet Barack Obama in Dänemark den größten Zuspruch. Dort unterstützen ihn 81 Prozent der Befragten. Ähnlich hoch waren die Werte in Chile (80 Prozent), Österreich (77) und Finnland (75). Obwohl sein republikanischer Rivale in anderen Staaten besser abschnitt, lag der Senator aus Illinois auch in Saudi-Arabien (57), Tschechien (55) und Ägypten (54) deutlich vorn. In Deutschland kam er auf 70 Prozent. Insgesamt hatte sein republikanischer Rivale unter allen Befragten nur eine Anhängerschaft von 13 Prozent. Obama avancierte in aller Welt zu einer Art König der Herzen.

Selten, so die Demoskopen, habe ein US-amerikanischer Präsidentschaftskandidat so eindeutig die globalen Sympathien auf sich gezogen wie Barack Obama. Auch bei der Lösung konkreter Probleme, wie der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise, wird dem demokratischen Präsidentschaftskandidaten deutlich mehr zugetraut als McCain. Der ist nicht nur in den Augen von Fidel Castro ein »Lügner« und Mann »ohne Ethik«. Obama sei einfach »intelligenter und ruhiger«.

Darauf setzt man auch in den meisten EU-Staaten, und darauf, dass die außenpolitischen Alleingänge der Bush-Jahre ein Ende finden und eine neue Diplomatie Washingtons militärische Gewalt zügelt. Die globale Finanzkrise zwingt beide Seiten praktisch an einen Tisch, in Sachen Klimaschutz ist selbst McCain gegenüber dem Amtsinhaber ein Grüner.

Doch egal, wer Bush im Weißen Haus folgt, viele Streitpunkte im transatlantischen Verhältnis dürften bestehen bleiben. Im Ringen der Welthandelsorganisation (WTO) um eine Senkung der Agrarsubventionen ist kein Durchbruch in Sicht. Auch Obama fordert ein verstärktes militärisches Engagement in Afghanistan, er steht nach jetzigem Stand der Dinge nicht für einen Kurswechsel gegenüber Iran, und den von vielen NATO-Partnern kritisch gesehenen Pakt-Beitritt von Georgien würde er wohl ebenso vorantreiben wie McCain. Niemand sollte da Illusionen haben.


Chronologie - Spannende Nacht

Der US-Präsident wird nicht in einer nationalen Wahl bestimmt, sondern in 50 Wahlen in den einzelnen Bundesstaaten. Als erstes schließen die Wahllokale an der Ostküste. Von dort werden bereits Ergebnisse erwartet, während in den Zeitzonen im Westen noch abgestimmt wird. Zwischen der Schließung der Wahllokale und der Bekanntgabe des Siegers eines Staates könnten bei knappem Ergebnis Stunden vergehen.

Um 0 Uhr MEZ schließen erste Wahllokale in Indiana und Kentucky – beides traditionell republikanische Staaten. Barack Obama hat aber in Umfragen gut in Indiana abgeschnitten. Ein Überraschungssieg dort könnte Vorbote eines Erdrutschsiegs sein.

Um 1 Uhr werden die Wahllokale im wichtigen Staat Virginia geschlossen. Dieser ging 2004 an die Republikaner, diesmal liegt Obama in Umfragen leicht vorn. Sollte er hier gewinnen, kann er sich gute Chancen ausrechnen.

Um 1.30 Uhr ist Ohio an der Reihe. Auch hier gilt: Verliert John McCain, könnte ihn dies den Einzug ins Weiße Haus kosten.

Um 2 Uhr schließen die letzten Wahllokale Floridas und in 15 weiteren Staaten. Darunter sind Pennsylvania und das umkämpfte Missouri. Ein klarer Trend, aber auch ein Kopf-an-Kopf-Rennen sind zu diesem Zeitpunkt denkbar.

Um 2.30 Uhr schließen u.a. die Wahllokale in North Carolina. Ein Sieg im traditionell republikanischen Staat könnte Obama dem Weißen Haus ein großes Stück näher bringen.

Um 3 Uhr geht die Wahl in zwölf weiteren Staaten zu Ende, unter ihnen die Schlüsselstaaten Colorado und New Mexico. Zu diesem Zeitpunkt ist die Wahl in acht der zehn »swing states« zu Ende. Es ist denkbar, dass der Sieger jetzt schon verkündet wird.

Um 4 Uhr endet die Wahl in den beiden verbliebenen umkämpften Staaten Iowa und New Mexico.

Um 5 Uhr geht es auch an der Westküste zu Ende. Überraschungen werden hier nicht mehr erwartet. Auf das Wahlende in Alaska (sicher für McCain) und Hawaii (Obama) wird niemand mehr warten. Vielleicht ist die Party des Siegers nun schon im Gange – vorausgesetzt, es gibt nirgendwo ein Wahlchaos.
Oliver Händler

Das Wahlsystem

Heute stimmen die US-Wähler nur indirekt über ihren künftigen Präsidenten ab. Vielmehr bestimmen sie die 538 Wahlmänner und -frauen, die dann an ihrer Stelle den Staatschef und seinen Vize küren. Die Elektoren kommen am 15. Dezember in den 50 US-Bundesstaaten und der Hauptstadt Washington zusammen und geben ihre Stimmen in versiegelten Umschlägen ab. Diese werden anschließend an den Kongress weitergeleitet. Der Präsident des Senats öffnet sie am 6. Januar und liest sie den Parlamentariern vor.

Für den Einzug ins Weiße Haus sind 270 Stimmen im Wahlmännerkollegium (»Electoral College«) erforderlich. Der Anteil eines Staates an den Wahlmännern hängt von seiner Bevölkerungsstärke ab. In den meisten davon gewinnt der Kandidat alle Delegierten für das Electoral College, der in diesem Staat die Mehrheit der Wählerstimmen errang. Vor acht Jahren trat der seltene Fall ein, dass ein Kandidat Präsident wurde, obwohl er landesweit nicht die meisten Stimmen bekommen hatte. George W. Bush errang damals 47,87 Prozent der Stimmen, Al Gore kam auf 48,38 Prozent. Bush durfte aber 271 Wahlmänner stellen, Gore nur 266.

Das Wahlmännerkollegium geht auf frühere Vorstellungen von Demokratie zurück. Für die US-Verfassungsväter galt im Jahr 1789 als Volkswille noch der Wille der Gebildeten. Mit diesem System sollte die Einflussnahme ungebildeter Schichten beschränkt werden.

Außerdem werden auch Teile des Kongresses neu gewählt. Er besteht aus zwei Kammern, dem Repräsentantenhaus und dem Senat. Heute stehen alle 435 Sitze im Repräsentantenhaus und 35 der 100 Sitze im Senat zur Wahl. Für den Senat stellt jeder der 50 Bundesstaaten zwei Senatoren. Damit haben auch kleinere Staaten ein gleichrangiges Gewicht in Washington. In elf Staaten werden zusätzlich neue Gouverneure gewählt. Diese sind dem Ministerpräsidenten eines deutschen Bundeslandes vergleichbar.

Wahlberechtigt sind US-Amerikaner von mindestens 18 Jahren. Aber nur, wer sich als Wähler hat registrieren lassen, darf auch zur Urne gehen. Agenturen/ND

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