Menschen zweiter Klasse?

In Deutschland werden die Rechte von Flüchtlingskindern missachtet / Jörg Maywald (53), ist Sprecher der National Coalition, die sich für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention einsetzt

  • Lesedauer: 3 Min.
Fragwürdig: Menschen zweiter Klasse?

ND: Sie haben kürzlich Deutschland, was die Rechte von Flüchtlingskindern betrifft, auf die gleiche Stufe wie Mauritius gestellt. Das ist starker Tobak.
Maywald: Ausgenommen die USA und Somalia, die die UN-Kinderrechtskonvention nicht ratifiziert haben, sind es nun mal nur die BRD und Mauritius, die einen auf alleinreisende asylsuchende Kinder und Jugendliche zielenden Vorbehalt bei der UN eingebracht haben. Trotz mehrerer politischer Vorstöße schaut es nicht so aus, als ob sich da in nächster Zeit etwas ändert. Man kann nicht international den Vorreiter der Menschenrechte mimen und im eigenen Land Defizite zulassen. Es ist ein grundlegendes Menschenrecht, dass alle Kinder gleich behandelt werden, damit auch Flüchtlingskinder.

Wie hoch ist die Zahl der alleinreisenden asylsuchenden Kinder?
Das ist schwer zu sagen. Seriöse Schätzungen beziffern die Zahl auf 5000 bis 10 000.

Wo sind die anzutreffen?
Schwerpunkte sind Hamburg mit dem Hafen und Hessen mit dem Flughafen Frankfurt. In Halberstadt, wo sich die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber des Landes Sachsen-Anhalt befindet, sollen in diesem Jahr 66 alleinreisende asylsuchende Kinder und Jugendliche vom Jugendamt registriert worden sein. Sie kommen auf verschlungenen Wegen, oft über Drittländer, nach Deutschland. Hier müssten sie laut UN-Konvention die gleichen Rechte genießen wie ihre inländischen Altersgefährten.

Die National Coalition kritisiert, unser Land sei davon meilenweit entfernt. Woran messen Sie das?
Nicht nur wir als Vertreter von rund 100 Verbänden und Organisationen sehen das so. Ex-Staatssekretärin Christel Riemann-Hanewinckel konstatiert, dass in dieser Richtung die Menschenrechte nicht gewahrt werden. Prof. Dr. Lothar Krappmann, Mitglied des UN-Ausschusses für die Rechte des Kindes, kritisiert es als »einen international einmaligen Vorgang«, dass in Deutschland entgegen der UN-Konvention Jugendliche nicht mit 18, sondern schon ab 16 als Erwachsene behandelt werden und ihnen so der angemessene, von der UNO verbriefte Schutz entzogen wird. Deutsche Initiativen gibt es im Hinblick auf Kinder ohne deutschen Pass mehrere; sie reichen vom Vorrang des Kindswohles über Verfahrensfähigkeit bis zu Gesundheitsfürsorge und Schulpflicht.

Was tut Ihre Organisation sonst noch? Appelle allein nützen ja wenig.
Als internationale Nichtregierungsorganisation sehen wir es als Hauptaufgabe, einen wachsamen Blick auf diese Entwicklungen zu haben. Bei der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention ist der Umgang mit Flüchtlingskindern der rechtlich brisanteste Punkt. Wir werden als National Coalition im UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes angehört. 2009 soll Deutschland dort seinen Bericht abgeben. Wir werden dort unseren »Schattenbericht« vorstellen.

Dabei wird es ja nicht nur um alleinreisende asylsuchende Kinder gehen. Welche Wünsche hat man als Lobbyist der Kinderrechte?
Dass Kinder ihre Rechte besser kennen. Da meine ich nicht nur Beteiligungsrechte, sondern auch das Recht auf Schutz z. B. vor Drogen. Dazu kommen der Ausbau des Sozialrechtes und die Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz. Einen Bundeskinderbeauftragten könnten wir gut brauchen. Zudem hoffe ich, dass es uns gelingt, 2009 eine Nationale Konferenz für die Rechte der Kinder zu installieren.

Fragen: Uwe Kraus

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal